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Das Wohnhaus von Yu Pingju in Peking.

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Yu Pingju und ihr Bruder Yu Changwan in ihrem Kiosk nahe der verbotenen Stadt. Das Geschäft wurde mittlerweile abgerissen - "um einer breiteren und sauberen Straße Platz zu machen", so die Behörden.

Die Suche nach Verwendbarem im Bauschutt.

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Viele Menschen landen nach denm Abriss ihres Hauses auf der Straße.

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Das Aushängeschild der Sommerspiele: "Vogelnest", Olympiastadion von Peking.

Yu Pingjus Freude auf die Spiele sind gedämpft. Denn macht die Stadtverwaltung Pekings mit der Drohung ernst, ihr Haus abzureißen, wird sie die Wettkämpfe von der Straße aus verfolgen müssen. „Wir können nirgends hin. Wir müssen auf der Straße schlafen, wenn sie unser Haus zerstören," sagt sie.

Der Olympiaboom hat die Zerstörung des alten Gesichts Pekings beschleunigt. Rund 40 Milliarden US$ hat die Regierung ausgegeben, um China während der Spiele in neuem Licht zu präsentieren. Die Besucher sollen geblendet werden - von der Pracht der Wolkenkratzer, den neuen U-Bahnen und dem Blumenmeer entlang der Straßen. Knapp zwei Wochen vor den 29. Sommerspielen setzt die Regierung nun alles darauf, die Hauptstadt in diesem Glanz zu präsentieren. Besonders für die Menschen, die entlang der Zubringerstraßen zu den Sportstätten wohnen, ist das Leben trist geworden.

Zwangsvertreibungen

„Die Olympischen Spiele dienen nur als Vorwand. Die Behörden wollen uns und unsere Häuser loswerden. Und dann bauen sie neue Gebäude mit teuren Büros," sagt Yu einem Reporter der Nachrichtenagentur Reuters. „Sie sagen, wir würden das Olympische Feuer stören, das hier vorbeiziehen wird. Wie kann das sein? Was haben wir falsch gemacht?", fragt sie.

„Spiele für die Menschen" - mit diesem Slogan warb China für die 29. Sommerspiele. Außerdem hat die Regierung versprochen, die Menschenrechte für die Bürger zu verbessern. „Tatsächlich aber haben sie sich verschlechtert!" betont Deanna Fowler von dem in Genf ansässigen „Centre on Housing Rights and Evictions" (COHRE).

Seit Monaten weist die Organisation auf die vielen Zwangsvertreibungen hin. Seit dem Jahr 2000 sollen in China 1,5 Millionen Menschen wegen der Bauarbeiten und der Erneuerungs- und Verschönerungsaktionen vertrieben worden sein. „Die Olympischen Spiele rechtfertigen Verstöße gegen Menschen- und Mietrecht. Wehren sich die Menschen dagegen, werden sie bedroht und schikaniert," so Fowler. Die Spiele seien ein guter Vorwand, mit aller Schärfe gegen die unliebsamen Bewohner der Stadt vorzugehen, ergänzt sie. Einige Personen, die gegen die Umsiedlung und Zerstörung ihrer Häuser protestiert haben, seien sogar festgenommen und ins Gefängnis gesteckt worden, berichtet Amnesty International.

Lebensstandards

Die chinesische Regierung und die Stadtverwaltung in Peking weisen die Vorwürfe zurück. „Die Anschuldigungen entbehrten jeder Grundlage", so Sun Weide, Organisator der Spiele in Peking. „Tatsache ist, dass nur rund 6.000 Familien vom den Umsiedlungsprogrammen betroffen sind." Wegen der Lebensstandards, wie er betont. Denn die Familien Pekings hätten nun 60 Quadratmeter zum Leben, anstatt 20.

Ein weiterer wunder Punkt bei den Umsiedlungsaktionen ist neben dem Verlust des Zuhauses auch die geringe oder oft auch gar nicht bezahlte Entschädigung. Zhang Yaoyaos Haus wurde im Dezember von den Behörden zerstört. Es stand dem geplanten Sicherheitskorridor zum Olympischen Stadium im Weg. Das Geld für sein Haus, das ihm angeboten wurde, sei zu wenig. Er könne in Zukunft nicht mehr in der Innenstadt leben, sagt er. „Deswegen vor Gericht ziehen, das bringt nichts," meint Zhang weiter. Aber er überlegt, seinen Fall den Vereinten Nationen vorzubringen.

Forderung

Um in Zukunft Konflikte wegen neuer Sportstätten zu vermeiden, fordert COHRE das Internationale Olympische Komitee auf, die Bevölkerung vor Vertreibungen zu schützen. Denn Enteignungen zeichneten sich auch in England ab, wo die Spiele 2012 stattfinden werden, so COHRE. Am einfachsten wäre, dass das Komitee nur mehr solche Kandidaten auswählt, die unter anderem auch Wohn- und Mietrechte für die Nachbarschaft garantieren.

Für Yu kommen Forderungen wie jene allerdings zu spät. Wenige Tage nach ihrem Gespräch mit Reuters wurden ihr Haus und ihr Kiosk abgerissen. Die olympischen Wettkämpfe wird sie nun von der Straße aus beobachten müssen. (hag/Reuters/derStandard.at, 24.7.2008)