Wien - Bei der heurigen Nationalratswahl hoffen Kleinparteien - ermutigt durch die Meinungsforscher - auf einen Erfolg. Dass Überraschungen möglich sind, zeigte im Juni der ÖVP-Dissident Fritz Dinkhauser mit seiner Liste bei der Tiroler Landtagswahl. Den Nationalrat zu erobern war bisher jedoch sehr schwierig. Mehr als 60 Parteien und Listen haben es seit 1945 versucht, aber nur sieben schafften es.
Neben SPÖ, ÖVP und FPÖ schaffte es die KPÖ in den ersten Wahlgängen der Zweiten Republik und seit 1986 die Grünen sowie zwei FPÖ-Abspalter: Das LIF vorübergehend (bei den Wahlen 1994 und 1995) und zuletzt das BZÖ. Hans-Peter Martin, bei der EU-Wahl 2004 überraschend erfolgreich, scheiterte bei der Nationalratswahl 2006.
Listenvielfalt
Die bisher meisten Bewerber der Zweiten Republik gab es 1994 mit 13 Listen am Stimmzettel. Bei der Wahl 2006 waren es zwölf - wobei nicht alle in allen Wahlkreisen antraten. In der Ersten Republik kandidierten regelmäßig 13 bzw. 14 Parteien, bei der Wahl zur Konstituierenden Nationalversammlung 1919 sogar 26, von denen 17 Mandate errangen.
Die Listenvielfalt hielt sich - abgesehen von 1945 - bei den ersten Wahlen der Zweiten Republik: 1949, 1953 und 1956 traten zehn bis elf Gruppierungen an. Die Hürde für eine Kandidatur war damals noch eine andere: Von 1945 bis 1971 gab es 25 Wahlkreise. Für ein Antreten mussten in mindestens einem davon erst 100, später 200 Unterstützungserklärungen gesammelt werden. Mit der Wahlrechtsreform 1971 wurden die neun Landes-Wahlkreise eingeführt und die noch heute geltenden Unterstützungs-Anforderungen von zwischen 100 und 500 Unterschriften pro Bundesland.
Mehrere Grün-Listen
In den 60er- und 70er-Jahren versuchten wenige "sonstige Listen" ihr Glück, nur zwischen fünf und sieben Parteien traten jeweils an. In den 80er-Jahren wurden die Stimmzettel wieder länger - vor allem wegen der damaligen Gründungsphase der Grünen. Zunächst traten mehrere Grün-Listen an, 1986 setzte sich die bis heute im Parlament verbliebene "Grüne Alternative" durch. Andere Gruppierungen wie die VGÖ kandidierten noch bis 1994, kamen aber nie in die Nähe der Vier-Prozent-Hürde für ein Mandat.
1994 wurde mit 13 die Höchstzahl an Kandidaturen in der Zweiten Republik erreicht - und mit den Grünen und dem damals erstmals antretenden Liberalen Forum auch die bis dahin höchste Zahl an Parlamentsparteien der Zweiten Republik, nämlich fünf. 1999 flog das LIF wieder aus dem Parlament. Mit der Abspaltung des BZÖ von der FPÖ gibt es seit 2006 aktuell wieder fünf Parlamentsklubs.
NEIN-Listen
In den 90er-Jahren kamen mit der Christlichen Wählergemeinschaft und den - unterschiedlich genannten - NEIN-Listen, die den EU-Beitritt und eine NATO-Mitgliedschaft bekämpften, zwei weitere relativ konstant antretende Gruppierungen dazu. Die EU-Gegner waren mit um die 50.000 Stimmen (rund ein Prozent) 1994 und 1995 auch die erfolgreichste Kleinliste der 90er-Jahre. Ähnlich gut schnitt nur mehr Richard Lugner 1999 ab.
Das beste Ergebnis der Nicht-Nationalrats-Listen hatte schon 1966 der Ex-SPÖ-Politiker Franz Olah mit 3,28 Prozent für seine "Demokratische Fortschrittliche Partei" erreicht. An zweiter Stelle steht Hans-Peter Martins Liste, die 2006 auf 2,80 Prozent kam.
Unter den nicht ständigen Nationalratsparteien schnitt bisher das LIF am besten ab, mit 5,97 Prozent im Jahr 1994. Das beste Ergebnis der KPÖ waren 5,42 Prozent 1945. Das BZÖ schaffte mit 4,11 Prozent 2006 den Einzug ins Hohe Haus nur knapp.
Diskrepanzen
Die schlechtesten Ergebnisse werden selbst in der Wahlbroschüre des Innenministeriums als "Kuriosum" bezeichnet - nämlich drei Stimmen für die Wirtschaftspartei der Haus- und Grundbesitzer und fünf Stimmen für die Demokratische Partei Österreichs im Jahr 1949. Kurios war dies deshalb, weil der Wahlvorschlag von 100 Wahlberechtigten unterstützt sein musste: Die größte Zahl der Unterstützer habe "nicht im Sinne ihres eigenen Wahlaufrufes gestimmt", stellte das Innenministerium fest.
Ähnliches kam auch noch bei den nächsten beiden Wahlen vor - so kam, quasi programmgemäß, die "Parlamentarische Vertretung der Wahlverhinderten, Nichtwähler und ungültigen Stimmen in Österreich" 1956 auf nur sieben Stimmen. Ab den 60er-Jahren sind solche Diskrepanzen zwischen nötigen Unterstützungserklärungen und erreichten Stimmen nicht mehr festzustellen. (APA)