Wien - Nach der Festnahme des ehemaligen bosnisch-serbischen Präsidenten und mutmaßlichen Kriegsverbrechers Radovan Karadzic sollte die Europäische Union nach Ansicht Erhard Buseks "den Druck aufrechterhalten, dass auch (Ratko) Mladic ausgeliefert wird". Es gebe Ideen, Serbien jetzt den Kandidatenstatus zu verleihen. "Das halte ich für verfrüht und auch nicht fair gegenüber anderen Ländern", sagte der frühere langjährige Sonderkoordinator des Südosteuropa-Stabilitätspaktes gegenüber der APA.

Wirklich überrascht habe ihn die Festnahme Karadzics nicht. "Für mein Gefühl ist es nicht zu spät, aber doch sehr spät. Wir haben sehr viel Zeit verloren damit, vor allem für Serbien." Dafür, dass es so lange gedauert habe, sei die politische Situation in Serbien verantwortlich zu machen. Ganz offensichtlich habe Karadzic Schutz von gewissen Gruppen gehabt. Auch Mladic habe Helfer, etwa aus Kreisen des Militärs und der Sicherheitskräfte. Einen Zeithorizont, wann mit einer Festnahme des ebenfalls vor dem UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag angeklagten früheren Militärchefs der bosnischen Serben zu rechnen sei, könne man nicht angeben, meinte Busek.

"Wie geht es weiter in Europa"

Dass der Balkan auch heuer wie in vergangenen Jahren ein Schwerpunkt beim Europäischen Forum Alpbach sein wird, glaubt der Forums-Präsident eher nicht. Viel mehr werde bei dem Kongress mit dem Generalthema "Wahrnehmung und Entscheidung" die Frage im Mittelpunkt stehen, "wie geht es weiter in Europa". Busek hatte jüngst eine Volksabstimmung über den Verbleib Österreichs in der EU befürwortet und in der Tageszeitung "Der Standard" gemeint, er würde dies empfehlen, damit man "endlich eine definitive Klarheit hat, und die EU nicht mehr Gegenstand des Populismus ist".

Die Frage, ob er nicht befürchte, dass eine derartige Abstimmung erst recht Populismus schüren könnte, verneinte Busek. "Da vertraue ich auf die Österreicher, die in Wahrheit in ihrer Meinungsforschung zum Ausdruck bringen, dass sie in der EU bleiben wollen. Das, was ich damit erreichen will, ist, dass man die wirklichen Probleme diskutiert." Als Beispiele nannte Busek "Klimageschehen, Transport, Energie, die sozialen Fragen und die Migration".

"Das Publikum schätzt das nicht"

Auch der Wahlkampf dürfte beim heurigen Forum Alpbach, zu dem fast die gesamte Bundesregierung und auch Vertreter der Opposition erwartet werden, eine gewisse Rolle spielen, meinte der ehemalige Vizekanzler. "Es wäre naiv, Alpbach zur Wahlkampf-freien Zone zu erklären." Er hoffe aber, dass sich dies in gewissen Grenzen halten werde. "Ich kann auch nur den Politikern empfehlen, das von sich aus in Grenzen zu halten, denn das Publikum schätzt das nicht", fügte Busek hinzu. Zum Wahlausgang selbst wollte der frühere ÖVP-Chef keine Prognosen abgeben, ebenso wenig wie Kommentare über denkbare Koalitionsvarianten. Er halte derartige Diskussionen für "verfrüht", betonte Busek. "Die Wähler werden entscheiden." (APA)