Wien - "Das Innenministerium hat nie bestätigt, dass Karadzic unter dem Namen Petar Glumac in Wien war. Ich habe nur gesagt: Hinweise scheinen sich zu verdichten." Er habe, so Innenministerium-Sprecher Rudolf Gollia, nur gesagt, dass er nicht ausschließen könne, dass Karadzic unter einer falschen Identität in Wien gelebt habe. Als sich der echte Petar Glumac (78), der in Banatsko Novo Selo in der Vojvodina lebt, am Sonntag bei der Nachrichtenagentur Tanjug meldete und angab, jener "Onkel Pera" zu sein, dessen Reisepass im Vorjahr in Wien von der Polizei überprüft worden sei und von dem die Kobra-Beamten nun glaubten, es habe sich um den Karadzic gehandelt, war man bei der Wiener Polizei um Schadensbegrenzung bemüht.
"Wir versuchen unbeeindruckt zu ermitteln", so Gollia. Man habe bereits am Freitag Kontakt mit den kroatischen und serbischen Behörden aufgenommen, um zu eruieren, ob der Reisepass, den der Mann, den die Polizei am 4. Mai befragte, echt sei. Aus Kroatien habe man erfahren, dass es dort keinen Petar Klumac gebe. Aus Serbien gebe es noch keine Informationen. "Agenturen können schneller arbeiten als Behörden", erklärt Gollia. Die Geschichte über den angeblichen Wien-Aufenthalt von Karadzic "muss einer der eingeschrittenen Polizisten an die Medien weitergegeben haben". Er, Gollia, habe damit keine Freude gehabt.
"Mit Glumac telefoniert"
"Also ich glaube nicht, dass Petar Glumac, jener welcher in Wien weilte und einen kroatischen Pass hat, Radovan Karadžic ist", sagte auch der österreichische Künstler Alexander Nikolic kurz vor der Tanjug-Aussendung am Sonntag Mittag dem derStandard.at. "Ich habe heute mit Glumac telefoniert. Er hat mir gesagt, dass gestern die Wohnungen seiner Freunde in Wien von der Polizei untersucht wurden. Und dass Leute einvernommen wurden", erzählt er weiter. 2007 hat der Künstler Nikolic den Wunderheiler für seinen Film über Harald Szemann und Schamanen am Balkan interviewt.
Größer und mit Zopf
Herr Glumac aus der Vojvodina bestätigte, Karadzic "1000-prozentig" ähnlich zu sein, nur ein bisschen größer sei er, und er trage einen langen Zopf. Übers Wochenende war der Wien-Aufenthalt von Karadzic bereits zu einer urbanen Legende geworden. Immer mehr Menschen - unter anderem Richard Lugner - meldeten sich und behaupteten, sie seien von Karadzic massiert worden, oder sie hätten ihn zumindest gesehen. Die Anrainer in der Märzstraße im 15. Wiener Gemeindebezirk, wo der echte Petar Glumac einquartiert war, bestanden bis zuletzt darauf, dass der nette Alternativmediziner eigentlich Karadzic gewesen sei.
Miodrag Pavnovic (57), ein aus Serbien stammender LKW-Fahrer, der schon seit 40 Jahren in Österreich lebt, sagte dem Standard, er habe mit dem Wunderheiler "Onkel Pera" im Café Lara Kaffee getrunken. "Ich habe gar keinen Zweifel, dass Onkel Pera Karadzic war. Ich habe den Mann sofort im Fernsehen erkannt, meine Frau auch." Sein Stammtischkollege, Dragan Ciric (45) sagte: "Natürlich war das er. Das Einzige, was manche hier jetzt beschäftigt, ist, dass sie die fünf Millionen Dollar Kopfgeld verpasst haben."
Der einzige der aus Ex-Jugoslawien stammenden Nachbarn, mit denen der Standard sprach, der nicht glauben wollte, dass Onkel Pera Karadzic sei, war Sascha Nikolic, der Besitzer seines Stammcafés Prigos in der Hütteldorfer Straße. Nikolic: "Der ist fast jeden Tag gekommen. Aber dass er Karadzic ist, kann ich einfach nicht glauben, obwohl es in der Zeitung stand. Onkel Pera hat meine Kellnerin therapiert und ihr das Handgelenk kuriert. Ich habe persönlich nichts gegen Karadzic. Ich mag ihn ja gerne - aber das war nicht er."
Als Nikolic und seine Gäste erfahren, dass sich der echte Glumac gemeldet hat, ist die Enttäuschung deutlich spürbar. Nur nicht bei Herrn Nikolic: "Ist ja gut so. Das heißt, dass der Onkel Pera wieder mal kommt." (bop, awö/DER STANDARD Printausgabe, 28.7.2008/red)