Etams/Frankreich - Bernhard Kohl ist bei der Tour de France bis zum Schluss voll konzentriert geblieben. Auch nach dem Zeitfahren am Samstag, in dem er den dritten Gesamtrang perfekt machte, ließ die Anspannung bei dem 26-Jährigen nicht nach. Erst als er vor Hunderttausenden Fans auf die Pariser Champs Elysees einbog, wo seine Mutter auf der Präsidententribüne saß, kam bei dem Wolkersdorfer ein Glücksgefühl auf.
Im Interview sprach er über seine weiteren großen Ziele bei der Tour ("Ich will in zwei, drei Jahren um den Sieg mitfahren") und die Vorfreude, sich den heimischen Fans kommende Woche bei Kriterien zu präsentieren.
Wie sehen Sie die Tour 2008 im Rückspiegel?
Kohl: "Diese Tour war der absolute Wahnsinn. Ich wollte ursprünglich in die Top Ten. Dann bin ich gleich super reingekommen, es ist perfekt gelaufen. Nach der ersten Pyrenäen-Etappe habe ich gewusst, dass ich weit vorne mitfahren kann. Dass ich aber das Bergtrikot und den dritten Gesamtrang schaffe, das ist ein Traum."
Können Sie die Bedeutung des dritten Ranges und des Gewinns der Bergwertung schon einschätzen?
Kohl: Ich begreife noch nicht wirklich, was ich da geschafft habe. Es ist unglaublich. Das werde ich erst etwas später schätzen können. Solange die Tour rollt, ist man so fokussiert. Erst wenn man auf dem Podest steht, ist der Druck weg."
Wie geht's weiter nach dem dritten Gesamtrang bei der erst zweiten Tour-Teilnahme?
Kohl: "Ich habe jetzt bewiesen, dass ich zum Kreis der Topfahrer gehöre, aber ich muss mich weiterentwickeln. Mein Ziel muss sein, in zwei, drei Jahren um den Sieg mitzufahren. Aber es wird sehr schwierig. Wenn ich mich weiter so professionell vorbereiten kann, ist es vielleicht möglich. Aber selbst wenn ich nochmals auf das Podest komme, wäre das ein Wahnsinn."
Was war der schönste Moment während der Tour?
Kohl: "Das ist sicher die Einfahrt auf die Champs Elysees in Paris im Bergtrikot und als Gesamt-Dritter. Wenn man drei Wochen am Limit fährt und jeden Tag fünf bis sechs Stunden auf dem Rad sitzt und dann jubeln dir hunderttausend Menschen zu, das ist der absolute Traum."
Und der schwierigste Abschnitt?
Kohl: "Das war die Fahrt hinauf nach L'Alpe d'Huez. Da musste ich weit über mein Limit gehen. Das habe ich auch im Zeitfahren am Samstag getan, aber da war Euphorie dabei, dass der dritte Platz möglich ist."
Sie haben mehrmals ihre körperlichen Grenzen überschritten, kann man diese Leidensfähigkeit lernen?
Kohl: "Nein, das hat man oder eben nicht. Für Topathleten ist es normal, über das Limit zu gehen. Nach zwei oder drei Stunden geht es einem dann wieder gut."
Man sagt, einen Erfolg zu bestätigen ist schwieriger. Wie sehen Sie das?
Kohl: "Die besten Jahre liegen noch vor mir, man wird mit dem Alter stärker. Aber es ist nicht leicht, die Form genau auf den Punkt hinzubekommen. Es kann sein, dass ich zwei Jahre brauche, bis ich da wieder hinkomme."
Haben Sie etwas vom großen Interesse um Ihre Person in Österreich mitbekommen?
Kohl: "Ich werde von meiner Familie informiert. Ich freue mich schon, wenn ich heimkomme und von Mittwoch bis Freitag die Kriterien in Österreich fahre. Davor und danach bin ich in Belgien. Das wird eine schöne Woche."
Wie werden Sie mit der Popularität umgehen?
Kohl: "Ich bin eher ein ruhiger Typ und froh, wenn ich nicht so in der Öffentlichkeit stehe. Was mich jetzt erwartet, kann ich mir noch gar nicht vorstellen." (APA)