Foto: AP

Verwandte der Bombenopfer in Ahmedabad am Sonntag.

Selbst vor den Krankenhäusern waren die Menschen nicht vor den Bomben sicher. Als die Krankenwagen mit Verletzten die Hospitäler erreichen, gingen auch dort Sprengsätze hoch. Die Bombenserie folgte offenbar einer perfiden, zeitlich genau geplanten Dramaturgie. Binnen 70 Minuten erschütterten am Samstagabend gleich 17 Explosionen die westindische Millionen-Metropole Ahmedabad. Die Zahl der Toten stieg bis Sonntag auf 45. Weitere 161 Menschen wurden verletzt. Premier Manmohan Singh rief die Menschen auf, Ruhe zu bewahren.

Es war bereits die dritte Anschlagsserie dieser Art in weniger als drei Monaten. Erneut bekannte sich eine bisher eher unbekannte Gruppe namens „Indische Mudschahedin" zu der Schreckenstat. Nur fünf Minuten vor der ersten Explosion habe die Gruppe die Terrorattacke in E-Mails an TV-Sender angekündigt, berichteten Zeitungen. Sie hätten weitere Anschläge angedroht. In Indiens Metropolen wurde die Alarmstufe erhöht.

Erst am Freitag hatte eine Bombenwelle die IT-Metropole Bangalore heimgesucht und zwei Menschen getötet. Beide Attacken ähnelten dem Muster der Anschläge Mitte Mai in der Touristenstadt Jaipur im Wüstenstaat Rajasthan. Damals starben 65 Menschen. Die „Indischen Mudschahedin" haben sich auch zur Attacke in Jaipur und anderen Attacken bekannt. Erst Jaipur. Dann Bangalore. Nun Ahmedabad. Alle drei Terrorziele haben eines gemein: Sie sind Hauptstädte von Bundesstaaten, die von den Hindunationalisten der BJP regiert werden.

Ahmedabad im Bundesstaat Gujarat war zudem Schauplatz schlimmer religiöser Unruhen. Dort hatten Hindu-Fanatiker 2002 hunderte Muslime abgeschlachtet. Gujarat wird von dem BJP-Politiker Narendra Modi regiert. Man wirft ihm vor, das Massaker damals gedeckt zu haben. Allein in seinem Wahlbezirk Maninagar gingen vier Sprengsätze hoch. Die Täter nannten ausdrücklich Vergeltung als Motiv.

„Wer ist als Nächstes dran?", titelte die Sunday Times. Die Täter hatten die selbstgebastelten Bomben an Fahrrädern, Rikschas und Autos befestigt und an belebten Plätzen wie Märkten, Krankenhäusern und Bushaltestellen platziert. Sie waren mit Metallbolzen und Muttern gefüllt und wurden mit Weckern mittels Zeitzündern zur Explosion gebracht.

Gerüchte über Al-Kaida


Geheimdienste vermuteten, dass die „Bewegung islamischer Studenten von Indien" (Simi) hinter den Attacken steht. Die Gruppe war bereits 2002 wegen terroristischer Aktivitäten verboten. Sie hat es sich zum Ziel gesetzt, Indien in eine islamische Gesellschaft zu verwandelt. Es gibt Gerüchte, dass Simi teilweise von Al-Kaida kontrolliert wird. 30 Verdächtige sollen festgenommen worden sein. (Christine Möllhoff aus Neu-Delh/ DER STANDARD Printausgabe, 28.7.2008)