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Die Tour de France soll mit ihrer 95. Auflage einen Tunnel verlassen haben. Dunkle Machenschaften gibt es noch immer.

Foto: AP/Czerwinski

 

Die Frage war frech, aber sie war auch berechtigt. Wie er annehmen könne, dass ihm diesmal geglaubt werde, wo er doch jahrelang bezüglich seiner eigenen Dopingvergangenheit gelogen habe. Die Frage an Bjarne Riis, Teamchef der Mannschaft CSC von Toursieger Carlos Sastre, stellte sich, da in der Süddeutschen Zeitung geschrieben stand, Riis wäre im Dezember 2005 mit einem seiner Stars, dem Luxemburger Fränk Schleck, beim spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes vorstellig geworden.

Er habe Fuentes nie getroffen. Und er habe das Kapitel Doping hinter sich gebracht, sagte Riis. "Als Chef habe ich jetzt eine ganz andere Verantwortung."

Aber dem inzwischen 44-jährigen Gewinner der Tour de France von 1996, der wegen seines damaligen, durch Epo-Doping erzielten lebensgefährlich hohen Hämatokritwertes im Feld nur "Mister 60 Prozent" genannt worden war, ist nur schwer zu glauben. So schwer zu glauben, wie der Tour de France insgesamt zu glauben ist, von der ihr Chef, Tourdirektor Christian Prudhomme, behauptet, sie sei in ihrer 95. Ausgabe eine "Tour der Erneuerung" gewesen.

Glaubensfrage

Der 47-Jährige, der vom legendären Jean-Marie Leblanc die Leitung des wichtigsten Radrennens der Welt just in einem Augenblick übernommen hat, in dem dieses endgültig im Dopingsumpf unterzugehen drohte, glaubt in diesem Jahr seinem eigentlichen Ziel ein gutes Stück nähergekommen zu sein. "Wir wollen diesen Sport und dieses Rennen unbedingt von dem Dreck befreien, der versteckt noch vorhanden ist."

Nach Meinung vieler Experten macht der "versteckte Dreck" immer noch 20 bis 30 Prozent des Fahrerfeldes aus. Ihnen ist die Tatsache, dass während der verwichenen drei Wochen nur drei Profis des Dopings überführt wurden, eher ein Hinweis darauf, dass die Jäger den Sündern immer hoffnungsloser hinterherhecheln.

Prudhomme, der ein Unternehmen zum Erfolg zu führen hat, das an die 140 Millionen Euro umsetzt und Jahr für Jahr Millionen von Menschen an die Straßenränder lockt, sieht die wenigen positiven Tests als Beweis dafür, dass das Feld sauberer geworden ist.

"Es gibt einen großen Schritt in Richtung Normalität", sagt auch Hans-Michael Holczer, Teamchef von Gerolsteiner und also von Bernhard Kohl. "Die Situation schien ausweglos. Nun haben wir eine Tür geöffnet." Als Beleg sieht Holczer das spannende Ringen um den Gesamtsieg. "Kein Fahrer war wie von einem anderen Stern."

Als Beleg für mehr Sauberkeit mag herhalten, dass recht langsam durch Frankreich geradelt wurde. Sieger Sastre spulte die mehr als 3550 Kilometer im Schnitt mit 40,5 km/h ab. 2005 kam Lance Armstrong bei seinem siebenten Triumph auf satte 41,65 km/h.

Während in Frankreich das Interesse an der Tour ungebrochen ist, schwächeln die TV-Quoten im deutschsprachigen Raum deutlich. ZDF und ARD hatten kaum einmal mehr als eine Million Zuseher. In den besten Zeiten waren mehr als drei Millionen dabei. Selbst beim Ritt nach L'Alpe d'Huez am vergangenen Mittwoch schaffte es die Übertragung nicht in die Top Ten der an dem Tag meistgesehenen Sendungen in Deutschland.

Besser fuhr der ORF - Kohl-bedingt. Im Schnitt 335.000 Menschen verfolgten hier die Königsetappe; der Marktanteil von 31 Prozent gilt für den Nachmittag als stattlich.

Ohne Kohl hätte der ORF nicht übertragen. Und für die Tour mag gelten, was Riis auf die freche Frage geantwortet hat. Er könne jeden verstehen, der ihm keinen Glauben schenke, sagte der Däne. (Sigi Lützow - DER STANDARD PRINTAUSGABE 28.7. 2008)