Letzte Reste eines österreichischen Liberalismus, zum Beispiel in Form von Verfassungstreue, gibt es nur noch bei den Grünen. Tatsächlich kann man deren Sprecher Alexander Van der Bellen als einen Sozialliberalen begreifen, der nichts mit dem Sozialismus, aber schon gar nichts mit dem Neoliberalismus auf der anderen Seite des Spektrums gemein hat.


Da aus den beiden (noch) stärksten Parteien des Landes die sozial- und kulturliberalen Stimmen verdrängt wurden, gleichzeitig aber von Regierung und Parlament liberale demokratische Errungenschaften laufend abgeschafft werden, ist die Spitzenkandidatur von Heide Schmidt für das Liberale Forum eine frohe Botschaft.


Und eine Chance für den Liberalismus als Verfechter einer Zivilgesellschaft, deren Freiheiten bedroht sind. Durch militante, gut und weltweit organisierte Extremisten, durch Fehlentwicklungen der Globalisierung. Gleichzeitig aber auch durch Law-and-Order-Anhänger, welche das Klima der Angst dazu benützen, die neuen Überwachungsinstrumente auf oppositionelle politische Kräfte auszudehnen.


Heide Schmidt ist ja 1999 nur ganz knapp an der Vier-Prozent-Hürde gescheitert, weil ihre Forderung nach Einrechnung des 13. und 14. Monatsgehalts selbst bei Gutbetuchten auf begreiflichen Widerstand stieß. Was sie seither verfocht, auch in Standard-Montagsgesprächen, ist ihr Bekenntnis zum liberalen Rechtsstaat und zu einem vernünftigen Minderheitenschutz. In Sonntagsmatineen hat sie ihre Positionen aktualisiert.


In Österreich hat es der Liberalismus als Partei immer schwer gehabt. Seine Präsenz in Parlamenten währte stets nur kurz - als „Sozialpolitische Partei" Ende des 19. Jahrhunderts und als „Liberales Forum" hundert Jahre später von 1993 bis 1999. Stärker bemerkbar machen konnte sich der politische Liberalismus immer nur als Flügel in Parteien: ökonomisch in der ÖVP (z.B. als Raab-Kamitz-Kurs), kulturell in der SPÖ (via Kreisky sowie durch den Zilk-Pasterk-Kurs in Wien) und in der steirischen ÖVP (Krainer/Koren). Dominant war immer der Nationalliberalismus, der in Kampfsituationen dem populistischen Rechtsliberalismus weichen musste (zuletzt die Steger-FPÖ, aber auch Heide Schmidt selbst).


In meinem Buch Liberalismus gegen Nationalismus (Passagen Verlag 1993) wurde die Frage gestellt, ob liberalen Fraktionen etwas abgehe, was nationale Parteien immer wieder bieten können: die gemeinsame Versammlung unter einer Fahne, das emotionale Intonieren patriotischer Lieder, die Abwehr des jeweils Fremden.


Der Liberalismus ist in nahezu allen seinen Varianten ein Konstrukt des Verstandes. Weshalb Konrad Paul Liessmann im zitierten Buch vor 15 Jahren anmerkte, dieses Manko könne nur durch eine Persönlichkeit an der Spitze abgedeckt werden.


Man sollte von Heide Schmidt keine Wunder erwarten, und man sollte vor allem auch die Grünen nicht unterschätzen. Aber die Aussicht auf eine Umgestaltung der Parteienlandschaft und eine Verhinderung der großen Koalition (die zuletzt ja von uns allen herbeigewählt wurde) hat etwas enorm Attraktives. Der Herbst birgt viele bunte Blätter. (Gerfried Sperl, DER STANDARD Printausgabe, 28.7.2008)