Projekt der offenen Zellentüren: Mit dem "Haftentlastungspaket" sollte die Zahl der bedingten Entlassungen auf europäisches Niveau angehoben werden. Laut erster Bilanz scheint das gelungen zu sein.

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Bewährungshilfe und Ministerin sind zufrieden, BZÖ und ÖVP besorgt.

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Wien - Für Justizministerin Maria Berger (SPÖ) hat sich das Paket bewährt, der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser lobt: "Mehr Sicherheit durch bessere Häftlingsbetreuung". Nur der ÖVP-Abgeordnete Günter Kössl bemängelt, Berger habe sich bis dato "nur darauf konzentriert, Erleichterungen für Straftäter zu schaffen. Beim Opferschutz ist sie säumig." Dabei hat die ÖVP das "Haftenlastungspaket" gemeinsam mit SPÖ und Grünen beschlossen.

Eine erste Bilanz zeigt: Die Zahl der Häftlinge ist gegenüber dem Vorjahr tatsächlich gesunken. Saßen mit 1. Juli 2007 noch 8973 Personen in Haft, waren es zum 1. Juli 2008 nur 8044 Personen.

Bedingte Entlassungen ausweiten

Schwerpunkt des Pakets ist die Ausweitung der bedingten Entlassungen. Während in Deutschland 50 und in der Schweiz 80 Prozent der Häftlinge vor Ablauf der Strafe freikommen, war es in Österreich zuletzt nur ein Fünftel. Eines der Hauptargumente für "Sitzen" bis zuletzt war stets die "generalpräventive Wirkung", also das abschreckende Beispiel, das Haft haben sollte. Mit dem "Haftentlastungspaket" gilt für jene, die zwei Drittel ihrer Strafe abgebüßt haben, die "Generalprävention" nicht mehr als Argument. Der Effekt: Die Zahl der bedingten Entlassungen stieg seit Jänner auf 1584.

Ein Drittel der Entlassenen wird von der Bewährungshilfe begleitet. "Neustart"-Geschäftsführerin Karin Waidhofer lobt besonders das Projekt "Schwitzen statt Sitzen". Wer eine Geldstrafe nicht bezahlen kann oder will, kann die Strafe stattdessen bei gemeinnützigen Vereinen "abarbeiten". 1486 Personen haben dies seit Jänner gemacht, knapp zwei Drittel "erfolgreich" - sie mussten nicht ins Gefängnis. Zudem nutzten 152 ausländische Häftlinge die Möglichkeit, nach halber Haftdauer freiwillig auszureisen - belegt mit einem Rückkehrverbot. Die Auslastung der Gefängnisse sei mit all diesen Maßnahmen von über 110 Prozent auf rund 90 Prozent gesenkt worden, sagt das Ministerium.

Elektronische Fußfessel im Regelbetrieb

Das Projekt der "elektronischen Fußfessel" will Berger nach der Wahl in den Regelbetrieb übernehmen: Seit Jänner wurden 32 Häftlinge in Wien und Graz in den elektronisch überwachten Hausarrest entlassen. Ein prominenter Häftling hat sich ja bereits für das Fußfessel-Projekt "angemeldet" und dafür sogar eine Million Euro Kaution angeboten: Ex-Bawag-Chef Helmut Elsner will sich auf diese Weise daheim auf seine Berufungsverhandlung vorbereiten. Das wird freilich schwierig: Derzeit gilt das Projekt nur für rechtskräftig Verurteilte (der Standard berichtete). Elsner ging nach dem erstinstanzlichen Urteil in Berufung.

Insgesamt sitzen 8044 Häftlinge in 28 Justizanstalten, davon ein Fünftel U-Häftlinge. (APA, stui/DER STANDARD-Printausgabe, 28.7.2008)