"Du bist ein toter Mann, Boris." - "Du hast dein eigenes Todesurteil unterschrieben." Ähnliche Drohungen, gewürzt mit saftigen Flüchen, werden nach der Festnahme von Radovan Karadzic täglich an die Mail- und Postadresse von Serbiens Staatspräsident Boris Tadic, gesandt. Mit dem Tod wird auch allen anderen Staatsfunktionären gedroht, die direkt oder indirekt mit der Verhaftung des wegen Kriegsverbrechen angeklagten ehemaligen Präsidenten der Republika Srpska zu tun hatten. Manche Morddrohungen sind unterzeichnet, manche anonym. Sie alle sprechen aber von Verrat, von Gottes Strafe, verfluchen die verdammten serbischen Europäer, den nationalen Abschaum, deren treulose Köpfe schon in Kürze rollen würden.
Die serbischen Sicherheitsdienste haben die Drohungen ernst genommen und die Bewachung der bedrohten Funktionäre verschärft. Man spricht von einer Stimmung der Lynchjustiz, die extremistische Gruppen zur Gewalttätigkeit gegen proeuropäische Kräfte ermutige. Nach einer ähnlichen Hasskampagne wurde der prowestliche serbische Reformpremier, Zoran Djindjic, vor fünf Jahren in Belgrad ermordet.
Aufruf zur Exkommunikation
Besondere Aufregung löste die Abgeordnete der nationalistischen Serbischen Radikalen Partei (SRS), Vjerica Radeta, aus. Sie erklärte, dass "Serbien Verrat niemals verziehen hat" und dass diejenigen, die Karadzic verhaftet hätten, vielleicht nicht so "glücklich" sein würden, wie Djindjic: "Denn Gott bestraft nationale Verräter bis zum siebten Geschlecht." Radeta rief die serbische orthodoxe Kirche auf, die Verräter zu exkommunizieren und einen Bannfluch gegen sie zu verkünden.
Die Staatsanwaltschaft will prüfen, ob es in der Aussage trotz der Abgeordnetenimmunität Elemente zur Strafverfolgung gibt. Die SRS hat am Dienstag zum Massenprotest aller Patrioten gegen die "verräterische Diktatur" von Tadic aufgerufen. Seit Tagen werden Journalisten während der Kundgebungen rechtsnationalistischer Organisationen auf der Straße verprügelt. Dem Kameramann von TV-B92 wurde das Bein gebrochen. Die zahlreichen, mit Schlagstock, Helm und Schild ausgerüsteten Polizisten schauten tatenlos zu.(Andrej Ivanji aus Belgrad/ DER STANDARD Printausgabe, 28.7.2008)