
Mit ihrer Compagnie Rosas macht Anne Teresa De Keersmaeker Musik seit 25 Jahren sicht- und lesbar. Zu Gast heuer mit dem neuen Stück "Zeitung".
Die belgische Star-Choreografin Anne Teresa De Keersmaeker wurde im Verlauf ihrer Karriere zu einer der größten "Übersetzerinnen" ernster bzw. klassischer Musik.
"Bezogen auf die Kunst ist Musik das Wichtigste in meinem Leben, neben dem Tanz. Die Musik war gewissermaßen meine Schule. Durch sie habe ich gelernt, Raum und Zeit zu organisieren, den Kontrapunkt herauszufinden und ein Vokabular zu generieren", sagt die 1960 im flämischen Mechelen geborene Künstlerin in einem Interview für ein im Vorjahr beim Verlag K. Kieser erschienenes Buch.
Der Keersmaeker-Urknall datiert aus dem Jahr 1982, als sie mit der Musik des amerikanischen Minimal-Music-Komponisten Steve Reich Fase kreierte und damit aus Amerika nach Europa zurück-kehrte, um dann zu einer Galionsfigur des zeitgenössischen europäischen Tanzes zu werden.
Tanz und Musik sind bei De Keersmaeker zwei Magnete, die sich aus unbestimmter und stets veränderlicher Entfernung immer wieder anziehen. Wer ihre Abende sieht, blickt auf den Knochenbau der Musik; das abstrakte Hörmaterial wird neu, in anderer Form lesbar. Seit 25 Jahren ist Anne Teresa De Keersmaeker mit ihrer Compagnie Rosas produktiv, mit der Bartók-Oper König Blaubarts Schloss hat sie 1998 an der belgischen Staatsoper auch ihr Debüt als Opernregisseurin gegeben.
Steve Reich, ihrem musikalischen Begleiter, zu dessen Klängen neben Fase u. a. auch Drumming (1998) und Rain (2001) entstand, hat De Keersmaeker zur heurigen ImPulsTanz-Preview einen kühnen Steve Reich Evening gewidmet.
Das Hauptgepäckstück ihres diesjährigen Besuches heißt aber Zeitung. Und mit diesem Originaltitel wird die Musik-Vermittlerin ein weiteres Mal auch zur Fremdsprachenförderin, die ihren Komponisten gerne auch in die Muttersprache folgte: Bach, Schönberg und Webern sind es dieses Mal. Gemeinsam mit dem Pianisten Alain Franco (und Co-Choreograf David Hernandez) sucht sie "Kreuzungen" zwischen Tanz und Musik auf, um Harmonik, Rhythmen und Polyfonien auszuloten. Uraufgeführt wurde Zeitung Anfang des Jahres im Pariser Théâtre de la Ville, dessen scheidendem Direktor das Stück gewidmet ist. (Margarete Affenzeller, SPEZIAL - DER STANDARD/Printausgabe, 29.07.2008)