Wien - Nach der gestrigen Verkaufs-Empfehlung durch die Berater von Boston Consulting verliert die Staatsholding ÖIAG keine Zeit: Sobald beim Sommer-Ministerrat am 12. August der Privatisierungsauftrag da ist, werde ein "offenes, transparentes" und EU-konformes Bieterverfahren starten, kündigte Michaelis an. Bis Ende Oktober soll feststehen, welcher strategische Partner bei der Austrian Airlines (AUA) das Ruder übernehmen wird. Von der Übernahmefantasie beflügelt stieg der Kurs der AUA-Aktie auch heute stark an.
Bis zu 100 Prozent
Die ÖIAG wünscht sich, von der Regierung in zwei Wochen mit der Privatisierung von "bis zu 100 Prozent" beauftragt zu werden, damit also größtmögliche Flexibilität. Eckpunkte im Privatisierungsauftrag und in den Offerten sollten der Erhalt der Marke und Headquarter-Funktion sein. Darüber hinaus sollte der Auftrag so "minimalistisch" wie möglich formuliert sein. Michaelis: "Es stärkt unsere Verhandlungsposition, wenn man der ÖIAG diese Flexibilität einräumt." Einflussmöglichkeiten könne man auch in Managementvertäge hineinschreiben. Im übrigen sehe auch der Telekom-Privatisierungsauftrag einen Verkauf bis zu 100 Prozent vor, was aber nicht praktiziert wurde. Dort hält der Bund weiter ein gutes Viertel.
Die ÖIAG und damit die Republik Österreich hält derzeit 42,75 Prozent der Anteile an der Austrian Airlines. Ein Privatisierungsauftrag müsse noch vor Ende der laufenden Legislaturperiode abgearbeitet sein, was bedeute, dass bis zum 28. Oktober ein Partner stehen solle, so Michaelis. Zumindest ein klares "Commitment" des künftigen Pratners sollte bis dahin da sein. Ob er damit schon das Signing des Verkaufsvertrags meinte, ließ er heute offen.
Michaelis betonte in einer Pressekonferenz mit AUA-Chef Alfred Ötsch, dass der Privatisierungsauftrag dringlich sei, es sei aber kein "Notverkauf". Bliebe im August allerdings der Privatisierungsauftrag aus, drohten "drastische" Maßnahmen. Streckenstreichungen, Personalabbau, Schrumpfkurs, "alle Grausamkeiten, die Sie sich nur vorstellen können", warnte Ötsch. In dem Fall müsste der Vorstand sehr bald "Zündstufe zwei" einleiten und redimensionieren.
Aus operativer Sicht ist die deutsche Lufthansa Favorit des AUA-Vorstands, mit der schon bei Code-Sharingflügen und bei der Technik kooperiert wird. Eine Vorentscheidung sei aber nicht gefallen, betonte Michaelis heute. Der AUA-Vorstand sucht jemanden, der Synergien bringt, vor allem beim größten Verlustbringer Langstrecke mit Zugang zu einem starken Vertrieb Vorteile bringt. Derzeit sei die AUA bei den Betriebskosten leider nicht so aufgestellt wie eine große Airline.
Hilfe bei der Käufersuche
Noch heute Nachmittag gibt es eine Sitzung mit den Beratern von Boston Consulting und Merrill Lynch. Die Investmentbank soll bei der Käufersuche helfen. Für die Regierungsmitglieder werden die Berater heute noch ein Papier auf Basis des Boston-Consulting-Gutachtens verfassen. Das soll dann Entscheidungsgrundlage für den Ministerratsbeschluss sein. Vorher wird am Freitag Nachmittag noch der ÖIAG-Aufsichtsrat mit den Vorbereitungen für die Empfehlungen an die Regierung befasst.
Ob der Anteils-Verkauf über eine Auktion ablaufen wird, ist noch offen. Das Beispiel der Alitalia schreckt da etwas ab. Für den Fall, dass außereuropäische Bieter in die engere Wahl kämen, sind ebenfalls die Juristen gefragt, wegen der EU-Rechte.
Die Wunschliste der Gesellschaft muss am Ende des Tages aber nicht mit dem dann optimalen Mix an Offerten übereinstimmen: Neben dem Preis zählten Größenvorteile/Synergien, Businesspläne und jeweils eigenes Umfeld: So etwa könnte bei der Lufthansa abseits operativer Gesichtspunkte angesichts der AUA-Schulden ein Ratingverlust drohen oder die Beackerung anderer Baustellen vorrangig sein, Air-France/KLM die AUA für einen Expansionsschub nach Osten brauchen oder die russische Aeroflot, die im Westen einen "Türöffner" will, mit besonders viel Geld locken.
Michaelis selbst stellte nur fest, dass man sich "vom Preis nicht blenden" lassen und sich dann den Vorwurf gefallen lassen werde, den falschen Bieter gewählt zu haben. Dass schon - wie kolportiert - informell gesprochen wurde (neben angeblich langen Kontakten mit der Lufthansa wurden zuletzt auch Sondierungen von Air China kolportiert) wird nicht bestätigt.
Die Privatisierung der AUA fällt in die Zeit der "schwersten Krise der Luftfahrtindustrie seit '9/11'. Michaelis glaubt aber, dass die AUA "eine attraktive Möglichkeit für eine weitere Konsolidierung" ist. Und da sei es gut, früh dabeizusein. Mit ihrem Osteuropanetz und dem "Hub Wien" bringe sie wertvolle Assets mit.
Ötsch will bleiben
Alfred Ötsch will AUA-Vorstandschef bleiben. "Es gibt genug zu tun. Und ich habe einen Vertrag", sagte er heute. Ötsch war ursprünglich angetreten, um für die "Eigenständigkeit" der AUA zu kämpfen. "In dem Umfeld jetzt geht das nicht mehr". Wäre es die eigene Unfähigkeit gewesen, hätte er Konsequenzen gezogen, versicherte Ötsch. Dass es eine Airline dieser Größenordnung allein nicht mehr schafft, liege am schwierigen Umfeld. Die Branche sei in der schwersten Krise der Luftfahrtindustrie seit 9/11. Er sei "traurig", dass es so gekommen sei. Ötsch machte deutlich, dass die Lage nächstes Jahr nicht leichter wird. Zu den 70 bis 90 Mio. Euro Verlust, die heuer wohl zu verkraften seien, kämen nächstes Jahr weitere 100 Millionen zusätzliche Kosten durch die Treibstoffpreisexplosion.
Karten auf den Tisch
Infrastrukturminister Werner Faymann verlangt vor einer Zustimmung zu einem AUA-Privatisierungsauftrag, dass die "Karten auf den Tisch" gelegt werden berichtet das Ö1-Mittagsjournal: "Wir wollen wissen, welches Ziel hat man und wie kommt man dorthin." Konkret erwartet Faymann demnach nun einen Bericht von Finanzminister Wilhelm Molterer (ÖVP), wobei Faymann den Managern recht gibt, die einen großen Zeitdruck sehen. Ein schneller Beschluss noch vor der Wahl wäre möglich, wenn die Grundlagen vorliegen, so Faymann. "Das muss aus dem Wahlkampf herausgehalten werden."
Drängen lassen will sich Faymann nicht, so der Bericht: "Einem Notverkauf werden wir nicht zustimmen." Der SPÖ-Chef weiter zur Begründung: "Wenn sie nicht sagen können, wohin sie wollen und wie man nach einer Privatisierung dort österreichische Interessen wahrnehmen kann, und nicht einmal die bereits vorliegenden Berichte zugänglich sind, dann habe ich den Eindruck, da soll nur rasch eine Entscheidung zur Privatisierung getroffen werden, und was nachher kommt ist eine Überraschung."
Heftige Kritik vom Betriebsrat
Beim AUA-Betriebsrat ruft die Eile in Sachen Privatisierung heftige Kritik hervor: "Ötsch nimmt die Belegschaft in Geiselhaft", schäumt Betriebsratschef Alfred Junghans. Und ÖIAG-Chef Michaelis, der ja Anteile verkaufen solle, höre sich an, als stünde die AUA vor dem Abgrund. Was ganz und gar nicht der Fall sei, wie der Airline-Betriebsratschef am Dienstag betonte. Das grenze schon fast an "geschäftsschädigendes Verhalten", meinte Junghans.
Dass die Hereinnahme eines strategischen Partners sinnvoll sei, dazu hätte es keines teuren Beraters gebraucht, findet Junghans. Schon gar nicht, dass dieser Berater fest stelle, dass es mit jener Airline, mit der man schon seit vielen Jahren in der gleichen Allianz kooperiere, am meisten Synergien gebe, meinte Junghans in Bezug auf die Lufthansa. Freilich gäbe es dort auch die größten Überschneidungen. Kritisch sieht er, dass auch im Aufsichtsrat gestern recht wenig über andere mögliche Partner gesprochen worden sei. Er sähe sehr wohl auch "Perspektiven mit Russen, Japanern und Chinesen.
Matznetter sieht Erklärungsbedarf
Erklärungsbedarf zum Tempo der Privatisierung der Austrian Airlines sieht SPÖ-Finanzstaatssekretär Christoph Matznetter. "Wenn die heute vorgelegten Bilanzzahlen der AUA stimmen, dann kann ich die plötzlich ausgebrochene Eile in Richtung 100-prozentiger Privatisierung nicht verstehen", meinte Matznetter in einer Aussendung.
Wie könne es sein, dass die AUA alleine das Dreifache des erwarteten Jahresverlustes für 2008 (70 bis 90 Mio. Euro) an liquiden Geldmitteln habe und das Management gleichzeitig verkünde, dass jetzt dringend Entscheidungen zu treffen wären, weil das Unternehmen ansonsten seinen Betrieb nicht mehr in vollem Umfang aufrecht erhalten könne, fragt sich der SP-Finanzpolitiker. Diese Argumentation sei "einfach nicht nachvollziehbar", da gebe es "Erklärungsbedarf".
Noch dazu sei völlig unklar, welche Ziele mit dem Unternehmen in den kommenden Jahren verfolgt würden. Die SPÖ werde sicherlich keine vorschnelle Entscheidung gegen österreichische Interessen treffen, versicherte Matznetter. (APA/red)