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Seit Tagen protestieren in Belgrad Menschen gegen die Festnahme des wegen Genozids angeklagten Radovan Karadžic. Journalisten werden von teilweise bezahlten Hooligans verprügelt.

 

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Polizeieinheiten vor dem Gerichtsgebäude, in dem Radovan Karadzic festgehalten wird

Unzählige Polizisten schwitzten Dienstagnacht in Belgrad unter ihren Helmen und Panzerwesten vor dem Parlament, westlichen Botschaften und McDonald‘s, den traditionellen Zielscheiben rechts-extremistischer Gruppen. Bis zu einhunderttausend Menschen wurden auf der Kundgebung der nationalistischen „Serbischen Radikalen Partei" (SRS) unter dem Motto „Freiheit für Serbien" erwartet. Nur etwa Zehntausend versammelten sich aber, um gegen die Auslieferung von Radovan Karadžic an das UN-Tribunal für Kriegsverbrechen und den „verräterischen Diktator Boris Tadic" zu protestieren.

Gegen 22 Uhr kam es zu Zusammenstößen zwischen einen Teil der Demonstranten, die unter Sirenengeheul mit Schlagstöcken vorging.

Zuvor hatten mehrere Redner die Freilassung des „größten aller lebenden Serben, Radovan Karadžic" gefordert. Vertreter der Serbischen Radikalen Partei (SRS) riefen zum Kampf gegen die prowestliche Regierung Tadic auf, die alles serbische für eine Handvoll Euro vernichten wollen. Trotz feuriger Reden wollte aber keine richtige Stimmung in der Masse aufkommen. Die Demonstranten trugen Plakate mit Fotos von Karadžic, dem ebenfalls wegen Kriegsverbrechen gesuchten früheren bosnisch-serbischen Militärchef Ratko Mladic und von Slobodan Miloševic.

Aleksandar Vujic, Generalsekretär der SRS, hatte die Demo als Massenprotest aller serbischer Patrioten angekündigt. Tadics Demokratische Partei (DS) verglich er mit einer „kriminellen Bande von Bösewichten und Dieben". Die Demokratische Partei Serbiens (DSS) von Ex-Premier Vojislav Koštunica und andere oppositionelle Parteien aus dem nationalkonservativen Block schlossen sich dem Protest an.

Die SRS als stärkste Partei in Serbien mit über einer Million Stammwähler dürfe man nicht ignorieren, meinen Analytiker. Nachdem ihr Versuch nach den Maiwahlen, eine EU-kritische nationalistische Regierung zu bilden, mit einem Debakel endete, wirken die Radikalen aber orientierungslos. Ihren Frust wollen sie nun bei Massenprotesten gegen die Auslieferung des „serbischen Volkshelden" ablassen.

„Anitiserbische Institution"

Die Mehrheit der Serben ist gegen eine Auslieferung von Karadžic an das Tribunal. Nachdem der Gerichtshof Ramush Haradinaj, den Ex-Premier des Kosovo und Kommandanten der albanischen Befreiungsarmee, und den Kriegskommandanten der muslimischen Truppen in Bosnien, Naser Oric, freigesprochen hatte, hat das Tribunal in Serbien erst recht den Ruf einer „antiserbischen politischen Institution".

Die Wut vieler Serben löste auch die Weigerung des Sondergesandten für Bosnien, Miroslav Lajèák, aus, der Familie von Karadžic die Ausreise aus Bosnien zu gestatten, um Radovan Karadžic vor seiner Auslieferung zu besuchen. Die serbische nationalistische Boulevardpresse bezeichnete das als eine gezielte und gemeine Schikane. (Andrej Ivanji aus Belgrad/DER STANDARD, Printausgabe, 30.7.2008)