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Fahndungsplakat:Die USA setzten fünf Millionen Dollar für Radovan Karadžic und Ratko Mladic aus.

Die Festnahme des wichtigsten politisch Verantwortlichen für die Verbrechen im Bosnienkrieg, Radovan Karadžic, beweist das Durchsetzungsvermögen des serbischen Präsidenten Boris Tadic im zivilen Sicherheitsdienst BIA und im militärischen Geheimdienst VBA.

Erst seit dem Machtgewinn von Tadics Demokratischer Partei (DS) in der neuen Koalition mit den Sozialisten und vor allem ohne die Demokratische Partei Serbiens (DSS) von Ex-Premier Vojislav Koštunica, wissen die Geheimdienste, wem sie zu folgen haben. Zuvor gab es immer zwei Machtzentren. "Nun hatten sie keine Wahl mehr" , sagt der Belgrader Journalist Dejan Anastasijevic, der auf Einladung von Reporter ohne Grenzen in Wien war. "Sie mussten beweisen, dass sie handeln."

Der Geheimdienst BIA ist aber längst nicht reformiert. Er entstand 2002 unter Premier Zoran Djindjic; dass der Nachfolger des jugoslawischen SDB aber nach der Miloševic-Ära nur den Namen geändert hatte, bewies spätestens die Ermordung des Reformpremiers. In den 90ern war der SDB ein "Staat im Staat" mit mehr als nur Verbindungen zum organisierten Verbrechen.
Entführungen und Menschenrechtsverletzungen wurden nie untersucht, die Archive nie geöffnet, kritisiert Anastasijevic. Die Reform der Sicherheitsdienste ist aber für die langfristige Stabilität Serbiens zentral, damit sie nicht mehr zu politischer Manipulation und Erpressung missbraucht werden. "Zurzeit gibt es aber keine effektive Kontrolle, außer die Kontrolle der Politik" , sagt Anastasijevic. Und die ist beschränkt darauf, dass Tadic kürzlich den Chef der BIA auswechseln konnte.

Notwendig wäre aber vor allem eine stärkere Kontrolle durch die Justiz und das Parlament. Dafür fehlt aber ein Rechtsrahmen. Ob Tadic diese Reform angehen kann und wird, ist offen. "Es ist gefährlich für Tadic, wenn auch nicht mehr so gefährlich wie kurz nach dem Sturz von Miloševic. Tadic hat politischen Mut bewiesen" , so Anastasijevic. Die Obstruktion der Sicherheitsdienste gegen politische und wirtschaftliche Reformen verzögerte schließlich auch in den letzten Jahren die Entwicklung Serbiens.

Die Geheimdienste sind nicht nur für die Verhaftung Karadžics, sondern auch für dessen zwölfjähriges Untertauchen verantwortlich. Geschichten über anonyme Anrufe, die die BIA erst vor zwei Monaten auf die Spur von Karadžic gebracht haben soll, kann glauben, wer sie glauben mag. Wenn der politische Wille vorhanden gewesen wäre, hätte man den Ex-Führer der bosnischen Serben bis 2000 jederzeit festnehmen können.

Dieser Wille war aber offensichtlich auch noch nicht gegeben, als Tadic Zdravko Ponoš, der sich an westlichen Militärschulen spezialisiert hatte, vor zwei Jahren zum ranghöchsten serbischen Militär ernannte, obwohl dieser klarmachte, dass er Mladic in Den Haag haben will. Als eine seiner ersten Aktionen ließ Ponoš die Anrufer, die in seine Telefonwarteschleife kamen, nicht mehr einem serbischen Volkslied lauschen, sondern ihnen den U2-Song "Still Haven't Found What I'm Looking For" vorspielen.

Einige Belgrader Quellen besagen nun auch, dass der militärische Dienst VBA die Karadžic-Verhaftung eingefädelt hat, die BIAsei nur zur "Legalisierung" der Aktion hinzugezogen worden. Geplant war der Zugriff eigentlich einen Monat später. Dann wären nämlich alle finanziellen Ressourcen der Familie Karadžic erschöpft gewesen. Karadžic habe aber nun auf Urlaub nach Kroatien fahren wollen. Deshalb habe man jetzt zugegriffen. Auch den im Juni verhafteten bosnisch-serbischen Ex-Polizeichef Stojan Župljanin hatte man finanziell ausbluten lassen.

In der Politik wie im Geheimdienst gibt es nach wie vor Kräfte, die Tadic den Erfolg in der Zusammenarbeit mit Den Haag nicht gönnen. Er braucht deshalb die klare Unterstützung der EU und nicht weitere Bedingungen für das EU-Abkommen. (Adelheid Wölfl/DER STANDARD, Printausgabe, 30.7.2008)