Wer geglaubt hat, dass die "Vienna Insider Party" in den 80er-Jahren bereits einen Tiefpunkt für den heimischen Kapitalmarkt dargestellt hat, der wurde jetzt eines Besseren belehrt.
Mehr als 100.000 Anleger fühlen sich durch ihr Investment in Meinl European Land (MEL, heißt seit der letzten Hauptversammlung Atrium European Real Estate) ausgenutzt und abgezockt. Sie werden künftig wohl ihre verbrannten Finger vom Kapitalmarkt lassen. Damit werden auch alle Anstrengungen der Wiener Börse für mehr Transparenz und Fairness gegenüber den Anlegern zunichtegemacht.
Die Vorgänge in den Meinl-Gesellschaften bringen Anleger zur Weißglut, das war bei der Hauptversammlung von Meinl International Power (MIP) deutlich zu sehen und zu hören. Horrende Gebühren für die Verwendung des Namens Meinl und des Mohrenlogos der drei in Wien gelisteten Meinl-Unternehmen an die Meinl Bank sowie das System, mit dem Aktien im Kreis geschickt und Platzierungsgarantien durch die Gesellschaften selbst finanziert wurden, sorgen für Empörung. Letztendlich haben die Zertifikatsinhaber damit selbst das Risiko für die Platzierung ihrer Papiere getragen. Und das darf wohl als reichlich ungewöhnlich bezeichnet werden.
Die Papiere von MEL wurden in einem von der Meinl Bank beauftragten Gutachten gar als "mündelsicher" bezeichnet. Von Anlageberatern hochgejubelt, haben daraufhin Anleger ihre Altersvorsorge auf diesen Zertifikaten aufgebaut. Jetzt weinen sie ihrem Geld nach.
Der Eindruck, der zu schlechter Letzt von der jüngsten MIP-Hauptversammlung bleibt: Die Meinl-Vertrauensleute winden sich durch das Jersey-Recht, wie sie es brauchen, nur um am Schluss als Gewinner dazustehen.
Das alles passiert in Österreich. Dennoch fühlt sich hierzulande offenbar keine Behörde für diese Vorgänge zuständig. Die Bankenaufsicht kann in ihrer Funktion nur die Meinl Bank selbst prüfen, hat aber keinen Einblick in die MIPMAIMEL-Gesellschaften. Alles, was bisher über den Zusammenhang mit der Meinl Bank ans Tageslicht geraten ist, haben die Bankprüfer bei ihrer Vor-Ort-Prüfung der Meinl Bank in den Unterlagen gefunden.
Die Finanzmarktaufsicht FMA beaufsichtigt nur den Handel der Wertpapiere und achtet darauf, ob etwa Informationspflichten eingehalten werden. Erste Bescheide gegen Meinl-Direktoren hat es gegeben, sie konnten nur nicht alle zugestellt werden.
Die Wiener Börse ist überhaupt schmähstad. Denn eingetragen sind diese Unternehmen allesamt in Jersey - einem Steuerparadies im Ärmelkanal, das formal gar nicht zur EU gehört. Daher gelte Jersey-Recht, österreichische Behörden könnten nichts unternehmen. So einfach ist es, Finanzmarktregeln zu biegen.
Und so einzigartig. Das österreichische Konsumentenschutzgesetz gilt für einen Käufer beispielsweise immer - egal wo die Niederlassung eines Herstellers ist. In der Finanzwelt ticken die Uhren aber offenbar anders. Unter dem Namen Meinl wurden Finanzprodukte mit Sparschwein-Werbung und "für Mündelgeldveranlagung geeignet" angepriesen. Im Hintergrund stehen aber Gesellschaften, die sich, als es ernst wurde, auf ein Recht berufen, das wie Gummi ist.
Und der Anlegerschutz? Der hat in Österreich weder die juristische Power noch die finanzielle Kraft, wirklich etwas zu unternehmen.
Für den Kapitalmarkt ist das kein Renommee. Der Eindruck, dass an der Börse ohnehin nur Zocker agieren, wird sich wieder in den Köpfen festsetzen.
Aber zumindest eines sollten diese Vorgänge sein: der Anlass, die Finanzmarktgesetze zu überdenken. (Bettina Pfluger, DER STANDARD, Printausgabe, 30.7.2008)