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Ein Internet-Café in Peking. Mit 221 Millionen Menschen, die das World Wide Web nutzen, hat China in diesem Frühjahr die USA überholt. Aber der Zugang bleibt weiter eingeschränkt.

Zehn Tage vor Beginn der Olympischen Spiele in Peking werden
die Menschenrechte in China weiterhin massiv verletzt. Entgegen offiziellen Zusagen
ist auch die Informationsfreiheit während der Spiele nicht garantiert.

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Bei der Einweihung der neuen Internet-Lounge im olympischen Dorf klappt scheinbar alles wie am Schnürchen. Die angewählte Seite der Deutschen Welle ist auf den neuen Laptops von Olympia-Sponsor Lenovo in Sekundenschnelle da. Auf der Online-Titelseite verkündet der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier Optimistisches: "Die Olympischen Spiele werden China öffnen."

Doch Steinmeiers frommer Wunsch lässt sich nur in westlichen Sprachen nachlesen, nicht aber in der Sprache des Landes, das sich nach Ansicht des Außenministers öffnen wird. Auf dem Bildschirm erscheint die Fehlanzeige: "The page cannot be displayed."

Zensierte Website

Die chinesische Website der Deutschen Welle ist zensiert. Selbst innerhalb des olympischen Dorfes hält sich Peking nicht an sein Versprechen, für Informationsfreiheit bei den Spielen zu sorgen. In den Online-Cafés im Dorf der 16.000 Athleten ist das Internet zwar schneller als woanders, freier ist es aber nicht. Den Olympiateilnehmern stellte Lenovo am Montag sieben Internet-Lounges in Peking, Qingdao und Hongkong mit 234 PC-Plätzen umsonst zur Verfügung, "das größte Internet-Angebot, die es jemals bei Olympischen Spielen gab".

Es bleibt aber auch das "zensierteste Angebot aller Olympischen Spiele". Alles, was bisher in China blockiert war, darf auch im olympischen Dorf nicht gelesen werden - von Dissidentenportalen, kritischen chinesischsprachigen Webseiten und Internetauftritten bis zu Zeitungen wie Hongkongs Apple oder der vatikannahen Nachrichtenseite "Asianews.it" .

Die meisten Sportler, die E-mailen, surfen oder ihre Infos abrufen wollen, sind davon nicht direkt betroffen. Der olympischen Idee aber schadet Peking. Auf die Frage von Hongkonger Journalisten, warum kein freier Internetzugang möglich ist, wich Olympiasprecher Sun Weijia aus. Das Organisationskomitee Bocog habe alle technischen Internetprobleme gelöst. Auch Lenovo sagt, dass es nicht an seinen Computern liegt. Chinas Propagandabehörden hüllen sich in Schweigen. Angeblich haben sie dem IOC versprochen, alle Internetbeschränkungen während der Spiele aufzuheben. Während: Das bedeutet vom 8. bis zum 24. August.

Peking tut sich mit Medien schwer, wenn es sie nicht direkt kontrollieren kann. So erlaubten die staatlichen Aufpasser, in den drei Olympia-Pressezentren und im olympischen Dorf bis zu hundert Auslandsmagazine und Tageszeitungen anzubieten, die es bisher nicht in China gab, von der New York Times bis zu Japans aktuellen Blättern.

Spät und teuer

Die neue Vielfalt hat ihren Preis. Unzensiert darf die Auslandspresse nur für die Zeit der Spiele von sieben staatlichen Zeitungskiosken und nur innerhalb des olympischen Geländes angeboten werden. Zudem ist sie teuer und kommt trotz Luftpost erst spät an. Eine drei Tage alte Ausgabe der deutschen Tageszeitung Die Welt etwa kostet umgerechnet sechs Euro, für Bild am Sonntag, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung oder Stern sind um die neun Euro zu berappen.
Doch es gibt eine Ausnahme: Hongkong, wo die Reitbewerbe stattfinden. Die ehemalige britische Kolonie hat im olympischen Wettbewerb um mehr Freiheit die Nase vorn, weil sie nach dem Prinzip "Ein Land, zwei Systeme" funktioniert. Weder ist das Internet zensiert noch der Kauf ausländischer Zeitungen eingeschränkt.

China hatte im April dieses Jahres bereits 221 Millionen Internet-User, um 21 Prozent mehr als ein Jahr zuvor und erstmals mehr als die USA. Aber die Hoffnungen auf ein offenes Web haben sich, entgegen den Andeutungen vor den Olympischen Spielen, nicht. (Johnny Erling aus Peking/DER STANDARD, Printausgabe, 30.7.2008)