Seit Monaten versichert Jacques Rogge, der Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), dass sich China durch die Austragung der Sommerspiele ändern werde. China hat sich geändert. Nur nicht wie angekündigt. Die Verfolgung von Dissidenten, Zwangsarbeit und Zensur haben massiv zugenommen, schreibt Amnesty International in seinem neuen Bericht. Zehn Tage vor Beginn der Spiele steht damit fest, dass Olympia 2008 in einem Klima der Verfolgung und Einschüchterung stattfinden wird.

Eine Mitschuld daran haben auch das IOC, die EU und die USA. Sie haben den Entwicklungen tatenlos zugesehen. Bereits im März, als die Unruhen in Tibet ausbrachen, kamen aus dem Westen nur verhaltene Reaktionen. Während China den Aufstand niederschlug, wog der Westen jedes Wort vorsichtig ab. Symptomatisch dafür ist, wenn Rogge nun erklärt, dass er Menschenrechte schätze, aber es ihm "die Diplomatie verbiete, sich zu diesem Thema zu äußern". Warum eigentlich? Die Staatengemeinschaft hätte von Anfang an energischer auf Reformen drängen sollen und notfalls auch die Verlegung der Spiele in Betracht ziehen müssen.

Dafür ist es zu spät, aber das Thema "Menschenrechte und Spiele" bleibt aktuell. Sport und Globalisierung waren immer schon zwei Felder, die sich gegenseitig verstärkt haben. Daher ist es nur logisch, dass immer mehr Weltspektakel in Ländern mit großem wirtschaftlichem Potenzial stattfinden, wobei soziale oder demokratische Probleme ausgeklammert werden: 2010 die Fußball-WM in Südafrika, 2014 die Olympischen Winterspiele im russischen Sotschi. Der Fall China zeigt aber eines: Schweigen und Hoffen bringt gar nichts. (DER STANDARD, Printausgabe, 30.7.2008)