Wien - 300 Millionen Dollar in zehn Tagen - die Zahlen, die dem neuen Batman-Film wenige Wochen vor seinem Europastart (21. August in Österreich) aus den USA vorauseilen, lassen eher an ein "monster movie" denken, das mit zerstörerischer Kraft durch diesen Sommer wütet, als an einen anspruchsvollen Versuch, der Blockbuster-Formel und dem Superhelden-Genre neue Facetten abzugewinnen.
Mit The Dark Knight setzt der englische Regisseur Christopher Nolan sein 2005 mit Batman Begins eröffnetes Projekt fort, die Figur des schwarzen Rächers auf eine neue erzählerische Basis zu stellen. Bruce Wayne trifft, wie schon 1989 in Tim Burtons Batman, auf seinen archetypischen Gegenspieler, den Joker.
Damals hatte Jack Nicholson diese Rolle mit narzisstischem Vergnügen an der eigenen Fiesheit interpretiert. In diesem Jahr steht der Joker aber im Zeichen einer abgründigen Geschichte: Für den Schauspieler Heath Ledger, der am 22. Jänner dieses Jahres in New York tot aufgefunden wurde, war dies die letzte Filmrolle. Er starb an einer Überdosis Medikamente, schon während der Dreharbeiten in London hatte es in einem Pressebericht Andeutungen auf Schlafstörungen und Erschöpfung bei dem 28-jährigen Schauspieler gegeben.
Sein früher Tod verleiht The Dark Knight nun eine besondere Aura, und die Kommentatoren in den USA weisen immer wieder darauf hin, dass der ungewöhnliche Erfolg auch darauf zurückzuführen ist, dass sich nicht nur das engere Zielpublikum von "superhero flicks" für den Film interessiert, sondern auch andere Zuschauerschichten, die beispielsweise Heath Ledger noch aufgrund seines Auftritts in dem Drama Brokeback Mountain schätzen. The Dark Knight schafft also offensichtlich die Gratwanderung zwischen Charakterdrama und Imax-Erfahrung (für das Panoramakino wurde eine eigene Version erstellt).
Die US-amerikanischen Kritiker sind sich weitgehend einig in ihrer Bewunderung für Christopher Nolans Dramaturgie und Regie und für die Differenziertheit, mit der Heath Ledger die Figur des Joker ausstattet: "Er ist kein Terrorist, sondern einfach furchteinflößend", schrieb Manohla Dargis in der New York Times über den selbsternannten Agenten des Chaos. David Denby im New Yorker geht sogar so weit, einen Vergleich zu Marlon Brando zu ziehen, und schließt mit einem großen Wort. "Diese Darbietung ist ein heroischer letzter Akt: Dieser junge Schauspieler blickte in den Abgrund."
Held gegen den Terror
Die Würdigungen sind umso gewichtiger, als der Joker den ganzen Film hinter einer Maske versteckt bleibt und als Figur deutlich dem Comic-Universum angehört, aus dem Batman ursprünglich stammt.
Es ist wohl in erster Linie Christopher Nolan zu verdanken, der mit The Dark Knight den Raum für diese Interpretation geschaffen hat. Er übernahm vor drei Jahren das in den postmodernen 90ern vor allem durch Joel Schumacher heruntergewirtschaftete Batman-Franchise und hat es sich seither in einer ähnlichen Weise zu eigen und zum Gegenstand einer sehr persönlichen Vision gemacht, wie Sam Raimi und die "Spider-Man"-Figur zusammengewachsen sind.
Gemeinsam mit seinem Bruder Jonathan hat Nolan das Drehbuch zu The Dark Knight geschrieben und dabei Gotham City wieder in den Rang einer erstrangigen Allegorie der gegenwärtigen Politik gehoben. Der Held, der mit allen Mitteln für Ordnung sorgen will, beschwört die Widersacher erst herauf. Die Exekutive ist von den Verbrechern durchsetzt. Terror ist die allgemeine Devise. Die moralischen Prinzipien sind von irritierender Zweideutigkeit. Das Wall Street Journal fand für The Dark Knight vielleicht die beste Formel: "Staatsbürgerkunde in einem Universum aus dunkler Materie." Die kommerzielle Entsprechung dazu formulierte ein Studiomanager: "Bald erreichen wir 400 Millionen Dollar, und was danach kommt, ist unerforschtes Terrain." (Bert Rebhandl/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30. 7. 2008)