Die Zahl der im Wiener Stadtgebiet abgeschleppten Räder steigt. Viele werden auch absichtlich vergessen. Sie landen auf dem Abschleppplatz in Simmering.

Foto: Standard/Regine Hendrich

Wien - Seit sich die Wiener Stadtregierung ernsthaft um den Ausbau des Radwegnetzes bemüht, schwingen sich immer mehr Städter aufs Rad: Heuer waren in Wien bisher um neun Prozent mehr Radfahrer unterwegs als im Vorjahr. An einem sonnigen Werktag registrieren die acht Zählstellen durchschnittlich 14.100 Radfahrer.

Wobei sich viele offenbar eher missmutig auf zwei Rädern durch die Stadt arbeiten: Laut VCÖ-Umfrage ist nämlich ein Gutteil der Wiener der Ansicht, dass die Radlbedingungen nicht optimal sind. Neben schmalen Radwegen, auf denen in beide Richtungen geradelt wird, gehen Radfahrern vor allem nicht vorhandene Abstellanlagen auf die Nerven. Im dichtbebauten innerstädtischen Gebiet sucht man oft lange nach einem Fahrradständer. Derzeit gibt es 10.000 Fahrradabstellanlagen in Wien, in den nächsten vier Jahren sollen 10.000 weitere dazukommen.

Damit den Wienern das Radlfahren bis dahin nicht vergeht, sorgen die fleißigen Männer in Orange dafür, dass die Radständer, die's schon gibt, benützbar bleiben. Anstatt sie auf den Müllplatz zu bringen, ketten einige Stadtbewohner ihre alten Räder nämlich einfach an den städtischen Radständern an. Dann rückt die MA 48 (Abfallwirtschaft und Straßenreinigung) an und bringt sie auf den Abschleppplatz in Simmering. Dort landen auch alle falsch geparkten Räder. Wer sein Rad auf dem Gehsteig oder zu nah an einer Kreuzung abstellt, muss nämlich damit rechnen, dass es von der Gemeinde Wien entfernt wird. Für 48 Euro plus zwei weiteren pro Tag kann man sich sein Rad wieder abholen (Infos unter Tel. 760 43). Heuer hat die MA 48 bereits 568 Räder eingesammelt. "Die Zahl der abgeschleppten Räder steigt", sagt Andreas Tesar, Leiter der Abschleppgruppe "gleichzeitig sinkt die Zahl der Diebstahlsanzeigen. Viele Räder werden also wohl absichtlich vergessen."

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Ein Teil der 10.000 neuen Abstellanlagen in Wien sollen überdacht und versperrbar sein. Stadtbewohner, die sich in ihrer Nähe mehr Platz für Räder wünschen, können ihre diesbezüglichen Begehrlichkeiten bei der Bezirksvorstehung deponieren, was allerdings nicht bedeutet, dass man dann auch wirklich bald einen Radständer vor der Tür hat: Weil sich der autofahrende Teil der Bevölkerung über jede neue Fahrradabstellanlage, die Parkraum wegnimmt, beschwert, ist man bemüht abzuwägen - was oft zulasten der schwächeren Verkehrsteilnehmer geht.

Als fahrradfreundlichste Stadt des Landes gilt nach wie vor Salzburg. "Das liegt daran, dass dort der Radverkehr in den normalen Straßenverkehr integriert ist", sagt VCÖ-Sprecher Christian Gratzer. In Wien habe man die Radfahrer hingegen auf schmale Wege verbannt, die sie oft auch noch mit Fußgängern teilen müssten. "Radwege zu benützen ist in Wien oft gefährlicher, als auf der Straße zu fahren."

Sämtliche Radlobbyisten fordern deshalb eine Aufhebung der Radwegbenützungspflicht, wogegen auch Planungsstadtrat Rudi Schicker (SP) an sich nichts einzuwenden hätte. "Wir haben hierzu wiederholt Initiativen gesetzt", sagt Schicker-Sprecherin Vera Layr. "Eine Änderung der Straßenverkehrsordnung bedarf allerdings der Zustimmung der anderen Bundesländer." Weil eine solche Einigung nicht in Sicht ist, kriegen sich Wiener Radler, Fußgänger und abbiegende Autofahrer vorerst weiterhin in die Haare.

Aber auch in der Rad-Muster-Stadt Salzburg müssen sich Radfahrer ihren Platz mitunter erkämpfen. Weil man sich gegenüber den aus dicken Autos aussteigenen Festspielgästen benachteiligt fühlte, drohte die "Verkehrsplattform pro Bahn" mit einer Demo vor dem Festspielhaus. Die Festspielchefin Rabl-Stadler reagierte prompt und ließ eine Reihe neuer Fahrradständer rund ums Festspielhaus aufstellen. (Martina Stemmer, DER STANDARD - Printausgabe, 30. Juli 2008)