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Zappen mit Musik: Laut einer aktuellen Studie ist unter Jugendlichen "Soundsnacking" populär.

Foto: REUTERS/Roni Rekomaa /Lehtikuva

In Douglas Couplands "Generation X" gibt es einen Schlüsselsatz: "My attentionspan is rather short", gesteht einer der Protagonisten. Und wer Wert auf die Aufmerksamkeit der X-Generation (also der Adoleszenz der 90er-Jahre) legt, passt sich an: Die Schnittgeschwindigkeit in Film und Fernsehen nähert sich rasant jener von Videoclips. Radiosender reglementieren die maximale Sprechzeit zwischen Musiktiteln sukzessive nach unten - und daran, Geschichten im Fragment-Stakkato erzählt zu bekommen, stößt sich kaum jemand unter 40 mehr. Couplands "Xer" sind die Eltern von heute. Und die nehmen staunend zur Kenntnis, dass sich auch die Aufmerksamkeitsspanne längst weiter verkürzt hat. Einzig die Quantifizierung ist unklar.

Im Frühjahr 2008 hat nun der Handyhersteller Sony Ericsson einen Teilbereich dieses Phänomens erforschen lassen: In einer europaweiten Online-Befragung von 9872 Menschen zwischen 18 und 24 Jahren erhob man, wie das Musikhörverhalten von Jugendlichen heute aussieht.

Überraschend am Ergebnis ist da vor allem, wie die Kids Musik hören: 97 Prozent der Befragten gaben an, mit dem Begriff "Soundsnacking" etwas anfangen zu können beziehungsweise ihre MP3-Tunes selbst so zu hören.

"Soundsnacking" bedeutet, Songs nur kurz anzuspielen. 30 Sekunden "Hörzeit" dürften, das stellten die Studienautoren fest, der gängige Mittelwert sein. Und die im Rahmen der Studie befragten 506 österreichischen Jugendlichen liegen ganz im europäischen Schnitt: Mehr als die Hälfte der heimischen Befragten gab an, "immer" (10 Prozent) oder "oft" (41) musikalisch zu snacken. Lediglich drei von hundert hören ausschließlich ganze Songs. Männer und Frauen hören de facto gleich.

Auch die Dauer des Hörens wurde abgefragt: 55 Prozent gaben an, in der Regel nach rund 20 Sekunden zum nächsten Titel zu springen. Immer länger als eine Minute bleiben nur etwa sechs Prozent einem Titel treu.

Natürlich hat die Studie der Handyhersteller kommerziellen Kontext: Die meisten von Jugendlichen gekauften Mobiltelefone sind auch MP3-Player. Hörgewohnheiten zu kennen ist da ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Sony Ericsson etwa hat Geräte im Programm, bei denen man nicht per Tastendruck, sondern mit einem Schlenker mit dem Handgelenk zum nächsten Lied hüpft.

Obwohl Studien, in denen Kontext und Umgebung der Befragten außer Acht gelassen werden, von vielen Wissenschaftern skeptisch betrachtet werden, attestiert Manfred Tscheligi den Handyherstellern, "ein relevantes Thema" aufgegriffen zu haben. Es stimme, dass es immer schwieriger wird, die Aufmerksamkeit von Konsumenten dauerhaft zu halten, meint der Leiter des Usability-Forschungszentrums "Cure", Professor für Human Computer Interaction an der Uni Salzburg: "Es heißt ja zu Recht, dass man über eine Web-Seite 'drüberschaut'. Auch 'Zappen' schlägt in diese Kerbe." Und in der Werbung wisse man längst, dass man nur wenige Sekunden hat, die Aufmerksamkeit des Betrachters zu fesseln: "Die Präselektion findet in immer kürzerer Zeit statt und geht nicht in die Tiefe."

Achselzucken über das Musikkonsumverhalten von Jugendlichen, betont man bei Cure, sei noch aus einem anderen Grund nicht angebracht: Die maximale Aufmerksamkeitsspanne des Publikums werde etwa für Anbieter von Medien und mobilen Inhalten immer relevanter, sagt Cure-Forscher Michael Leitner: "Wie lange sehen sie sich Nachrichten zu Hause am Fernseher an, wie lange am Handy?" Diese Unterscheidung wirke sich zwingend auf den Inhalt aus: "Soundsnacking" funktioniert bei Popmusik - aber nicht bei Wagners "Ring". Das werde sukzessive auch für Mediengestalter zum Thema, meint Leitner. Denn in Zukunft sei eine Frage immer wichtiger: "Wie stark muss ich Informationen verdichten - oder verknappen?" (Thomas Rottenberg/DER STANDARD, Printausgabe, 30.7.2008)