"Neueinsteigerinnen müssen sich an natürliche Düfte ohne synthetische Zusätze erst gewöhnen"

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Am Sitz auf der Schwäbischen Alb wird selbst der Kompost selbst gemacht .

Die Ernte der Heilkräuter im 4,5 Hektar großen Garten beginnt um vier Uhr früh. Heute wird Hamamelis, das Blatt der Zaubernuss, geerntet. Es helfe bei Entzündungen sowie Krampfadern und werde zur Stärkung der Haut eingesetzt, ist in Heilkräuterlexika nachzulesen. Wer hier die Blätter von den Bäumen zupft, darf nicht rauchen, keinen Nagellack tragen oder Parfum verwenden. Das ist Bedingung im 60 Jahre alten Garten in Eckwälden, 40 Minuten entfernt von Stuttgart, mitten in der lieblich hügeligen Schwäbischen Alb.

Hier ist der Firmensitz von WALA, dem Arzneimittelkonzern, der Dr. Hauschka Kosmetik nach den Prinzipien anthroposophischer Medizin herstellt. Den Blättern der Zaubernuss werden nach der Ernte die Wirkstoffe im Wasserbad entzogen. "Die Reinheit des Bodens ist für den richtigen Mineralstoffgehalt der Pflanze und in der Folge auch für die Wirkstoffe, die in den Kosmetikprodukten beigesetzt werden, von größter Bedeutung", sagt der Gärtner – und deshalb würden selbst geringste Mengen von Nagellack, Tabak oder synthetischen Stoffen stören.

Insgesamt werden 1500 Heilpflanzen im 60 Jahre alten Garten angebaut. Hier wachsen Rosen Seite an Seite mit Ringelblumen, Wundklee und Kapuzinerkresse. 5000 Kilogramm Blätter, Blüten und Wurzeln werden jährlich geerntet. Selbst die wilden Bienen haben eine wichtige Funktion: Man lockt sie an, damit sie die vielen Blüten bestäuben. Auch der Kompost wird selbst gemacht.

"Studieren Sie die Rhythmen der Natur"

Biodynamischer Anbau heißt das im Fachjargon. Die Gärtner nehmen auf Mondphasen Rücksicht, pflegen die Pflanzen in ihrem natürlichen Kreislauf, Dünger oder Pestizide sind verpönt. Es sind die Prinzipien von Rudolf Steiners anthroposophischer Lehre, die den Ton angeben. "Studieren Sie die Rhythmen der Natur", sagte er und hat damit den jungen österreichischen Chemiker Rudolf Hauschka, der ihn 1924 traf, stark beeindruckt. Hauschka setzte Steiners Prinzipien in seiner 1935 gegründeten Arzneimittelfirma WALA (die Abkürzung steht für Wasser, Asche, Licht, Asche) um, und zusammen mit Elisabeth Sigmund lancierte er 1967 eine Kosmetiklinie: pure Natur, ohne Konservierungsstoffe und chemische Zusätze.

"Neueinsteigerinnen müssen sich an natürliche Düfte ohne synthetische Zusätze erst gewöhnen", sagt Claudia Bezold-Ferrari, seit vielen Jahren Trainerin bei Dr. Hauschka und für die Kosmetikbehandlungen verantwortlich. Rose, Zitrone und Quitte spielen die Hauptrolle – die Produkte schäumen wenig und sind insgesamt herber als das, was man als kosmetischen Mainstream bezeichnen könnte. "Auch die Haut richtet sich nach Zyklen wie etwa Tag/Nacht oder den Jahreszeiten", sagt Bezold-Ferrari.

Kosmetik sollte Prozesse unterstützen, etwa die Selbstreinigung der Haut in der Nacht, die durch fetthaltige Cremen nur gestört würde. Stattdessen ist Reinigung ein mehrstufiges Ritual – im Grunde eine Gesichtsmassage und Bezold-Ferrari sagt nicht zufällig Fügungen wie "sich Zeit nehmen", "der Haut Aufmerksamkeit schenken", "sich beim Fußbad entspannen". Ein Traum, wenn sich das plus gesunder Ernährung tatsächlich auch umsetzen ließe.

Gütesiegel

Menschenfreundlich ist bei Dr. Hauschka übrigens auch das Geschäftemachen. Das von einem anthroposophischen Verein geführte Unternehmen ist wohl das einzige nichtprofitorientierte Kosmetikunternehmen der Welt. Das Wohl der Mitarbeiter ist wichtig, die Produktentwicklung und das Einhalten der eigenen Grundsätze – auch fernab der Schwäbischen Alb, dort, wo WALA Blüten und Rohstoffe einkauft, sogar in Afghanistan, wo man Bauern zum Umsatteln von Mohnanbau auf biodynamische Rosenzucht animiert. "Wir haben dafür spezielle Finanzierungsmodelle geschaffen", erzählt Ralf Kunert, der für die Rohstoffbeschaffung verantwortlich ist. In Zeiten mannigfach aufkeimender Konkurrenz muss Dr. Hauschka mehr als bisher seine Lebenseinstellung über die Marke transportieren. "Nicht überall, wo 'biologisch' oder 'organisch' draufsteht, ist auch Organisches drinnen", sagt Kunert. Mit Gütesiegeln beschäftigt sich bei Wala eine ganze Abteilung.

Was der ganze Aufwand mit Bioanbau, Creme ohne Chemie und abendlichen Schönheitsritualen bringt? Auf den ersten Blick wirklich strahlende Haut. Zumindest ist jene der Mitarbeiterinnen (aller Altersklassen), die in Eckwälden durch die Gänge huschen, geradezu makellos. Wir nehmen nicht an, dass daran das Wetter auf der Schwäbischen Alb schuld ist. (Karin Pollack/Der Standard/rondo/01/08/2008)