Eigentlich wollte er in Graz nur seine Diplomarbeit schreiben und dann im Senegal Deutsch unterrichten - heute ist er gefragter IT-Experte und pendelt zwischen Österreich und Deutschland: Samba Diallo

Samba Diallo betritt das Kaffeehaus gemächlich, schlendert langsam zum Tisch, die sichtbar zerlesene Tageszeitung unterm Arm. Es ist kurz vor elf Uhr vormittags, Diallo bestellt sich Melange und Kipferl: "Ich habe heute noch keinen Kaffee getrunken", erklärt er lächelnd. Der 43-Jährige genießt seinen Urlaub. Er kann ihn gebrauchen: Sein Job fordere ihn im Ausmaß von "50 Wochenstunden mit nach oben offenem Ende", führe ihn drei Tage pro Woche nach Deutschland.

Als Projektmanager bei einem führenden Beratungsunternehmen wird er von Firmen engagiert, um in relativ kurzer Zeit über eine Menge Geld zu entscheiden und wöchentlich Rechenschaft zu geben, ob auch alles nach Plan läuft. Danach wird Bilanz gezogen: Wenn dann im Unternehmen etwas schief laufe, sei der Berater "der erste, der geht".

Nicht "alles super"

Diallo ist einer, dem gelungen ist, wovon viele träumen. Und gleichzeitig versucht er bei jedem Besuch in seinem Geburtsland Senegal den Menschen einzubläuen, dass das alles andere als leicht ist. "Leute, glaubt nur nicht, dass dort alles super läuft", sagt er, wenn er hört, dass es wieder jemanden Richtung Europa zieht. Und erzählt, dass es hier Menschen gebe, die "zwei Jobs haben und trotzdem nicht davon leben können". Die wenigsten würden ihm glauben, sagt er: "Sie sehen nur die, die zurückkommen und es geschafft haben." Die Menschen seien "überzeugt, dass es hier besser ist. Und solange sie das glauben, werden sie kommen" – Grenzsicherung hin oder her: "Diese Militärpatrouillen bringen nichts. Die Leute sagen: ‚Lieber unterwegs sterben, als in dieser Situation weiterleben.'" Daran werde sich erst dann etwas ändern, wenn "sie das Gefühl haben, dass es etwas zu verlieren gibt. Eine Arbeit zum Beispiel."

Kellner und Model

Als Diallo vor 22 Jahren aus dem Senegal nach Österreich kam, war vom Top-Job noch lange nicht die Rede. Als Germanistik-Student hatte er ein Stipendium erhalten, um in Graz seine Diplomarbeit zu schreiben. Danach wollte er zurück nach Dakar, um Deutschlehrer zu werden. Nach zwei Jahren in Österreich wusste er: "Germanistik ist fürs Herz. Fürs Brot brauche ich etwas anderes" – und begann in Wien Informatik zu studieren. Das Geld dafür lieferten diverse Jobs – vom Kellner bis zum Laufsteg-Model.

Drei Jahre nach dem Studienabschluss hatte er schon sein erstes größeres Projekt als Berater zu verantworten: Nach der Fusion zweier großer heimischer Banken war er es, der die verschiedenen Kassensysteme aufeinander abstimmen sollte – und dabei gleich ein Kapitel heimischer Wirtschaftsgeschichte hautnah erlebte: "Eine rote und eine schwarze Bank – die Widerstände waren schon sehr heftig."

Leiser Erfolg

Über seine Karriere redet Diallo mit knappen, leisen Worten, er trägt den Erfolg nicht gern nach außen, spricht lieber über Familie, Kinder, Freizeit. Beharrlichkeit, Begabung und eine gute Ausbildung haben ihn dorthin gebracht, wo er heute steht. Die damalige, weniger strenge Gesetzeslage ließ es zu: Noch während seines Studienaufenthaltes bekam Diallo die österreichische Staatsbürgerschaft zuerkannt, durfte nach dem Abschluss also legal hier leben und arbeiten. So schnell würde es heute nicht klappen: Erst nach zehn Jahren Aufenthalt dürfen Zugewanderte einen Antrag stellen.

Diallo war die Einbürgerung wichtig: "Wenn ich Steuern zahle, will ich auch wählen und gewählt werden dürfen." Er glaubt, dass "die meisten Leute, die wegen der ‚Ausländerproblematik' bestimmte Parteien wählen, wahrscheinlich noch nie selbst mit dem Thema konfrontiert waren". Andererseits wundert es ihn, dass "die, die auf der Seite der Ausländer stehen", sich trotzdem gegen verpflichtende Deutschkurse gewehrt haben: Es sei "ein Mittel der Diktatoren in der Dritten Welt, die Leute ungebildet zu halten".

Integration, eine "Hochzeit"

Integration vergleicht er mit einem Fest: "Wenn man auf eine Hochzeit eingeladen ist und das Gefühl hat, man gehört nicht dazu, dann geht man wieder." Das Nicht-Dazugehören könne daher kommen, dass man nicht festlich genug gekleidet ist und sich anders fühlt – aber auch mit Dingen zusammen hängen, die "nicht in meiner Kontrolle liegen". Das Ergebnis sei dasselbe: "Man fühlt sich nicht wohl." Er selbst habe selten Erfahrungen mit Rassismus gemacht, "vielleicht war ich immer mit den richtigen Leuten zusammen." Manchmal habe er sich aufgrund seiner Herkunft aber "zu positiv" behandelt gefühlt: "Auch das kann unangenehm sein." (Maria Sterkl, derStandard.at, 4.9.2008)