Wien - Der Grazer Maschinen- und Anlagenbauer Andritz ortet auf den für ihn relevanten Märkten nach wie vor eine intakte Nachfrage und plant durch Zukäufe eine Abrundung seiner Geschäftsfelder. "Wir sind finanziell sehr gut abgesichert und können weiter Richtung Akquisitionen denken und auch unsere Dividendenpolitik beibehalten," sagte Andritz-Vorstandsvorsitzender Wolfgang Leitner bei der Präsentation der Halbjahreszahlen am Freitag.

Andritz habe seine Verpflichtung zu regelmäßigen Akquisitionen durch die im 1. Halbjahr erfolgte Übernahme von Teilen des Wasserkraftbereichs von GE Energy und von Maerz (Wärmebehandlungsanlagen, Schmelzöfen; Anm.) erfüllt. Dennoch sei man in allen Bereichen auf der Suche nach passenden Ergänzungen. In den Kernbereichen Hydro - Andritz hat Siemens 2006 die VA-Tech-Wasserkraftsparte abgekauft - und Zellstoff seien Zukäufe aus kartellrechtlichen Gründen kaum mehr möglich, im Umwelt- und Stahlbereich sowie bei Tierfutteranlagen aber sehr wohl.

Liquidität vorhanden

Liquidität jedenfalls hat Andritz genug. Ende Juni hatte das Unternehmen liquide Mittel in Höhe von 777 Mio. Euro, die Nettoliquidität lag bei 366 Mio. Euro (nach 247 Mio. Euro Ende 2007).
Bis Ende Juni konnte Andritz den Umsatz um 7,4 Prozent auf 1,65 Mrd. Euro steigern, wobei etwa die Hälfte des Zuwachses auf die Erstkonsolidierung von Beteiligungen zurückzuführen ist. Das operative Ergebnis (Ebit) verbesserte sich um 17,1 Prozent auf 98,8 Mio. Euro. Damit stieg die Rentabilität (Ebit-Marge) um 0,5 Prozentpunkte auf 6,0 Prozent.

Während der Auftragsstand um 19,4 Prozent auf 4,6 Mrd. Euro und damit auf ein Rekordniveau stieg, war das Unternehmen bei der Akquirierung von Neuaufträgen im Berichtszeitraum weniger erfolgreich als 2007. Mit 711,5 Mio. Euro lag der Auftragseingang in den ersten sechs Monaten 2008 um 22,2 Prozent unter dem vorjährigen Vergleichswert. Der Andritz-Chef führte dies auf einen Zellstoff-Großauftrag um Volumen von 200 Mio. Euro zurück, der im 1. Halbjahr 2007 in die Bücher genommen werden konnte und heuer fehle. Man sei aber zuversichtlich, im Verlauf der zweiten Jahreshälfte noch den einen oder anderen Großauftrag fixieren zu können.
Für das Gesamtjahr bekräftigte Leitner die Einschätzung, dass der Umsatz auf gut 3,5 Mrd. Euro klettern und die Rentabilität weiter zunehmen werde. "Wir werden in allen wichtigen Kennzahlen Rekordwerte aufweisen" , sagte Leitner.

Ilisu-Kraftwerk

Trotz eingetretener Verzögerungen rechnet man bei Andritz weiter mit dem Bau des umstrittenen Wasserkraftwerks Ilisu im Südosten der Türkei. "Es gibt keinen Hinweis, dass es nicht realisiert wird" , sagte Leitner.

Derzeit liege der Ball beim türkischen Auftraggeber und der Regierung in Ankara. Sie müssten sich zu Auflagen verpflichten, die von den Exportkreditversicherern Österreichs, Deutschlands und der Schweiz als Bedingung für deren Zustimmung zum Projekt aufgelistet wurden.
Die Lieferzeit des Andritz-Teils, der nach früheren Angaben ein Volumen von 230 Mio. Euro hat und unter anderem die Turbinen zur Stromgewinnung umfasst, würde sechs bis sieben Jahre betragen. "Es wäre schade, wenn das Projekt nicht realisiert würde" , sagte Leitner. Gegen ein Kraftwerk Ilisu und die damit einhergehende Umsiedlung tausender Menschen haben diverse Nichtregierungsorganisationen protestiert. (stro, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2./3.8.2008)