"Wenn man sich jetzt in Punkto Teuerung die Preise anschaut, bin ich ja nicht mehr so weit weg davon." Die ÖVP-Nationalratsabgeordnete Silvia Fuhrmann verteidigt auch heute noch ihre Aussage aus dem Jahr 2004, im Zuge derer sie behauptet hat, drei Wurstsemmeln würden zehn Euro kosten. Gelernt habe sie daraus, sich "nicht unterkriegen" zu lassen, und, dass "junge Frauen anders behandelt werden als alte Männer". Im Interview mit derStandard.at erklärt die JVP-Obfrau, warum Frauen "auch nicht damit geholfen ist, wenn man ihnen vorwirft, nur eine Quotenfrau zu sein". In der Generation ihrer Mutter sei "Rebellion" noch gerechtfertigt gewesen, jetzt habe Benachteiligung oft mit "selbsterfüllender Prophezeiung" zu tun, sagte sie zu Katrin Burgstaller und Rosa Winkler-Hermaden.
derStandard.at: Frau Fuhrmann, Sie haben als Ihre präferierte Koalitionsvariante Schwarz-Grün angegeben. Was ist daran reizvoll?
Fuhrmann: Meine Erfahrung ist, dass die Zusammenarbeit zwischen Parteien, die ideologisch andere Einstellungen haben, sehr befruchtend sein kann. Das ist die Herausforderung daran. Ich war, was die Große Koalition betrifft, von vornherein sehr skeptisch. Dass es keine Liebesheirat war, war kein Geheimnis. Aber von der Bevölkerung war der Wunsch da. Wenn zwei Parteien ein so deutliches Votum bekommen, kann man es nur als Auftrag verstehen. Wir haben es zwei Jahre lang probiert, es hat nicht funktioniert.
derStandard.at: Sie sind also gegen eine Neuauflage der Großen Koalition.
Fuhrmann: Ich hätte keine Idee, was sich bessern soll.
derStandard.at: Und wenn sich Schwarz-Grün nicht ausgeht? Momentan, nimmt man die aktuellen Umfragen her, scheint es sich nicht auszugehen.
Fuhrmann: Glaubt man den Umfragen wird es einen großen Wahlgewinner geben, und das ist die FPÖ. Je mehr Parteien sich von der FPÖ distanzieren, desto größer wird ihre Chance sein, dass sie tatsächlich ein hohes Votum bekommen. Man sollte sie nicht noch aufwerten, indem man die Partei ausgrenzt.
derStandard.at: Schließen Sie Schwarz-Blau aus?
Fuhrmann: Ich kann mir nicht vorstellen mit Strache zusammenzuarbeiten. Ich habe eine Zeit erlebt, wo es eine Riess-Passer gegeben hat, die in wirtschaftspolitischen Fragen und teilweise in gesellschaftspolitischen Fragen einen sehr vernünftigen Kurs an den Tag gelegt hat. Da war von nationalsozialistischem Gedankengut überhaupt keine Spur. Das, was die FPÖ jetzt bietet, ist Ausländerhetze, billiger Populismus ohne Lösungsansätze.
derStandard.at: Man hat das Gefühl, die ÖVP versucht durch gewisse Aussagen der FPÖ Stimmen wegzunehmen. Zum Beispiel hat Hannes Missethon gesagt, Faymann habe die "Ausländerghettos" gebaut.
Fuhrmann: Das stimmt ja auch. Wenn man es auf den Punkt bringt, ist es so, dass Faymann dafür verantwortlich ist. Wir würden das Argument ja nicht auf den Plan rufen, würde sich die SPÖ nicht davon distanzieren. Die SPÖ versucht die Grünen links zu überholen und deshalb ist das Argument zu Recht so gefallen.
derStandard.at: Waren Sie schon einmal in einem Gemeindebau in Wien?
Fuhrmann: Ich bin Burgenländerin, habe deshalb auch noch in keinem Gemeindebau gewohnt. Ich habe aber schon einigen geholfen, einen Wohnplatz zu bekommen. Es müssen Wege gefunden werden, um sich das Wohnen leisten zu können. Wohnen in Wien ist sehr, sehr teuer. Eine Forderung in unserem Wahlprogramm ist daher auch leistbares Wohnen. Wir haben europaweit die höchsten Maklergebühren.
derStandard.at: Aber wie wollen Sie es schaffen, die Wähler davon zu überzeugen die ÖVP zu wählen und nicht die FPÖ?
Fuhrmann: Der Wähleraustausch zwischen ÖVP und FPÖ ist weit geringer als der zwischen SPÖ und ÖVP. Die Europafrage, die uns deutlich unterscheidet, ist nur ein Punkt. Es sind hauptsächlich Arbeiter und Angestellte die sich von den Freiheitlichen angesprochen fühlen. Bei der Wahl 1999, wo die FPÖ unter Haider zweitstärkste Partei geworden ist, habe sie die Stimmen hauptsächlich aus der SPÖ generiert.
derStandard.at: Es steht noch nicht fest, auf welchem ÖVP-Listenplatz Sie kandidieren werden. Sind Sie ein bisschen neidisch auf Laura Rudas, die auf Platz vier der SPÖ-Liste gereiht wurde?
Fuhrmann: Ich kandidiere schon zum dritten Mal und war immer relativ weit vorne gereiht. Ich bin es gewohnt, für mein Amt, das ich bekleide, auch etwas zu leisten. Von meiner Schulsprechertätigkeit, die ich mit 14 innehatte, bis zu meiner Funktion als JVP-Obfrau habe ich mich immer anstrengen müssen und auch gekämpft. Mir wurde nie etwas in den Schoß gelegt. Was uns von der SPÖ unterscheidet, ist, dass wir nicht irgendwelche Versprechungen machen, sondern jeder auch aufgerufen ist, seine Leistung zu bringen. Wir waren jetzt bei den letzten beiden Wahlen die Nummer eins bei den Jungwählern. Mein Ziel ist es, dass wir da weiterhin die Nase vorne behalten.
derStandard.at: Sie sind seit 2002 im Nationalrat. Man kann also nicht mehr davon sprechen, dass Sie eine Newcomerin sind...
Fuhrmann: ... Aber immerhin bin ich ein paar Monate jünger als Laura Raudas....
derStandard.at: ...aber welche Tipps können Sie Ihren jungen Kollegen, die nach der Wahl zum ersten Mal in den Nationalrat einziehen, mitgeben? Damit Ihnen nicht solche Missgeschicke wie Ihnen passieren. Stichwort Wurstsemmel: Sie haben einmal gesagt, drei Wurstsemmeln würden zehn Euro kosten.
Fuhrmann: Es wäre schade, wenn ich nach sechs Jahren immer noch die jüngste wäre, was ich ja derzeit bin. Ich unterstütze es sehr, dass junge Funktionäre auf diversen Listen kandidieren. Man darf sich überhaupt nicht unterkriegen lassen. Karl Blecha hat in einem Interview davon gesprochen, dass ein Kilo Brot 12 Euro kostet. Da war ich ja noch viel näher dran. Und wenn man sich jetzt in Punkto Teuerung die Preise anschaut, bin ich ja nicht mehr so weit weg davon. Das wurde damals hochstilisiert. Über den Herrn Blecha wurden keine Leitartikel geschrieben. Ich finde es schade, dass junge Frauen anders behandelt werden als alte Männer, die einmal Minister waren, da hat man sich scheinbar nicht getraut.
derStandard.at: Als Wahlprogramm für die Jungen haben Sie u.a. billigere Öffitickets und einen billigeren Führerschein gefordert – haben die Jungen keine anderen Sorgen?
Fuhrmann: Wir fordern eine Jugendcard für alle unter 26, weil es für Junge natürlich schon wesentlich ist, ob sie sich das Busfahren am Land ins Freibad leisten können oder nicht. Auch billigere Führerscheine sind ein Thema. Die Bandbreite geht von 1200 Euro bis 1900 Euro. Das Geld plötzlich bei der Hand zu haben ist schwierig, das darf man nicht unterschätzen. Dabei ist er oft Jobvoraussetzung.
Wir sind für eine gerechte Einkommensgestaltung. Wir haben in Österreich ein Senioritätsprinzip, das nicht nur ungerecht ist, sondern auch längst schon nicht mehr der Zeit entspricht. Ich würde mir wünschen, dass man nach Leistung bezahlt wird und nicht nach dem Alter.
derStandard.at: Hermann Schützenhofer aus der Steiermark hat gemeint, die Basis sei wahlkampfmüde. Wie ist Ihr Eindruck von den jungen ÖVPlern? Sind die Funktionäre genervt, dass schon wieder um Stimmen geworben werden muss?
Fuhrmann: Der letzte Nationalratswahlkampf liegt erst zwei Jahre zurück. Große Länder wie Niederösterreich oder Tirol haben auch gerade erst Wahlen hinter sich. Oberösterreich oder die Steiermark haben die Landtagswahlen kurz bevorstehen. Jeder muss schauen, dass die Luft nicht ausgeht. Es ist nicht die große Euphorie da, "juhu" schreit niemand. Ein Wahlkampf kostet viel Geld und bedarf eines großen organisatorischen Aufwands. Die Leute sind auch nicht erfreut, wenn im Sommer, wo eigentlich Urlaub sein sollte, jetzt voller Einsatz gefragt ist. Aber wir werden natürlich vollen Einsatz bringen, weil es um viel geht.
derStandard.at: In Tirol hat sich kürzlich die neue ÖVP-Frauenvorsitzende Gretl Patscheider beschwert, dass zu wenig Rücksicht auf die Frauen in der ÖVP genommen wird. Anlass dazu war die Nicht-Berücksichtigung von Elisabteh Zanon für die Tiroler Landesregierung. Wie geht es Ihnen als – junge – Frau in der ÖVP?
Fuhrmann: Mein Geschlecht hat bisher keine Rolle gespielt – weder positiv noch negativ. Ich bin auch selbst nicht fokussiert darauf. Man darf nicht in die Falle der selbsterfüllenden Prophezeiung tappen – Wenn man erwartet, dass man schlecht behandelt wird, tritt es oft auch ein. Natürlich kann man die Gerechtigkeit zwischen Frauen und Männern nicht ganz so einfach vom Tisch reden. Es war in der Generation meiner Mutter der Aufstand und die Rebellion gerechtfertigt, da war das notwendig. Aber jetzt, wo Männer genauso kochen können wie Frauen, wo Männer genauso den Geschirrspüler einräumen wie Frauen, kenne ich keine Burschen, die sich erwarten, dass die Frau zuhause bleibt und kocht und junge Frauen sind sehr selbstbewußt, um sich beruflich und privat auch durchsetzen zu können.
derStandard.at: Glauben Sie, dass strukturelle Gleichberechtigung gegeben ist?
Fuhrmann: Nicht in allen Bereichen. Frauen verdienen immer noch weniger als Männer. Frauen suchen sich aber leider oft auch Berufe aus, die in ein niedrigeres Lohnniveau haben. Wenn Frauen aber bei derselben Position weniger verdienen, steige ich auch auf die Barrikaden, das ist ungerechtfertigt.
derStandard.at: Sind Sie für Quotenregelungen?
Fuhrmann: Ich glaube, dass es in der jetzigen Zeit nicht mehr notwendig ist, immer und überall Quoten einzuführen. Die Quote hatte ihre Berechtigung, sie war notwendig, um die Systeme aufzubrechen. Momentan sehe ich aber eher die Gefahr, dass es solange es Quoten gibt nie zu einer Selbstverständlichkeit werden wird. Frauen ist auch nicht damit geholfen, wenn man ihnen vorwirft, nur eine Quotenfrau zu sein.
derStandard.at: Also würden Sie zum Beispiel den Entwurf in der Universitäts-Gesetz-Novelle ablehnen. Dort ist eine 40-Prozent-Hürde in den zu nominierenden Gremien vorgesehen.
Fuhrmann: Das ist gut. Auch bei Bewerbungsverfahren soll, wenn zwei Personen gleich gut sind, die Frau vorgezogen werden. Aber man kann nicht für alles, womit man unzufrieden ist, Quoten einführen. Das Allheilmittel für Probleme ist nicht immer die Quote.
derStandard.at: Haben Sie Angst als Berufspolitikerin zu enden?
Fuhrmann: Sobald ich ausschließlich Politik machen würde, die zum Selbsterhalt dient, wäre das ein Warnsignal. Gerade als junger Mensch sollte man offen sein für Vieles, ich bin ein neugieriger Mensch und mache leidenschaftlich gerne Politik und ich würde mich auch freuen, nocheinmal dem Nationalrat angehören zu dürfen. Grundsätzlich würde ich aber jedem Menschen raten, nicht einen Job das ganze Leben lang auszuüben. (derStandard.at, 3.8.2008)