Siemens zieht sich mit dem Verkauf seiner Telefongerätesparte SHC ganz aus dem Geschäft mit Kommunikationstechnik zurück. Die SHC-Mehrheit geht an das Starnberger Beteiligungsunternehmen Arques, das zu dem Hersteller von schnurlosen Gigaset-Telefonen noch eine Mitgift von 50 Mio. Euro erhält. "Damit ist das Kapitel der Kommunikationstechnik bei Siemens geschlossen", sagte Finanzchef Joe Kaeser am Freitag. Die Transaktion soll bis Oktober über die Bühne gehen. Erst am Dienstag hatte Siemens die Mehrheit des Telefonanlagengeschäfts SEN an den US-Finanzinvestor Gores Group abgetreten.

"Es gibt keinen Abbau von Mitarbeitern"

Der österreichische Standort von Siemens Home and Office Communication (SHC) bleibt erhalten. "Es gibt keinen Abbau von Mitarbeitern", erklärte ein Siemens-Sprecher am Freitag auf Anfrage der APA. Der SHC-Standort in Wien beschäftigt 15 Mitarbeiter.

SHC ist das letzte Relikt des vormals riesigen Siemens-Telekommunikationsbereichs, der vom Handy über Telefonanlagen bis hin zu kompletten Fernmeldenetzen alles anbot, was mit Telekommunikation zu tun hatte. Siemens hatte SHC im vergangenen Geschäftsjahr in die schwarzen Zahlen zurückgeführt, zuletzt erwirtschaftete der Bereich 792 Mio. Euro Jahresumsatz und 13 Mio. Euro Gewinn vor Steuern von. Im Vorjahr waren noch 60 Mio. Euro Verlust angefallen.

Arques erhält in einem ersten Schritt 80,2 Prozent an SHC. Siemens will seinen Minderheitsanteil von 19,8 Prozent noch für zwei Jahre halten, um weiter ein Auge auf die bisherige Tochter zu haben - und so Entwicklungen wie nach dem Verkauf der früheren Handysparte an die Taiwaner BenQ zu verhindern. Die Asiaten hatten das Geschäft ein Jahr nach der Übernahme mit gut 3.000 Mitarbeitern in die Pleite geschickt.

Kreditlinie

Im Falle SHC stellt Siemens für den Fall der Fälle nun Arques auch noch eine Kreditlinie von 20 Mio. Euro bereit. Insgesamt schlage die Trennung bei Siemens mit einem mittleren zweistelligen Millionenbetrag zu Buche, sagte Kaeser. Die Siemens-Aktie gab am Freitagvormittag zwei Prozent auf 77,31 Euro nach, während die Arques-Titel im SDax im gleichen Umfang auf 7,80 Euro zulegten.

Arques habe zugesichert, die beiden größten SHC-Standorte München und Bocholt für drei Jahre zu erhalten. "Bei der Auswahl des Partners für SHC waren uns standort- und beschäftigungssichernde Maßnahmen besonders wichtig", erklärte Kaeser. Arques habe zugesichert, bis Ende Juli 2010 mindestens 80 Prozent der Personalstärke von heute weltweit 2.100 Beschäftigten zu halten, teilte die IG Metall mit.

Arques kündigte an, das Produktportfolio von SHC auf "margenstarkes Geschäft" zu konzentrieren. Über die Zukunft von Peripheriegeräten wie DSL-Modems oder Empfangsgeräten für Internet-Fernsehen werde noch entschieden. Konkrete Restrukturierungspläne würden derzeit erarbeitet, sagte Arques-Chef Michael Schumann. Arques darf die Marke Siemens für zwei Jahre nutzen. Unklar blieb, von wem die Initiative zu dem Verkauf ausging. Mitte April hatte Kaeser noch erklärt, Siemens biete die SHC nicht von sich aus zum Verkauf an.

"Mit dem Verkauf entsteht zumindest für die nächsten zwei Jahre Klarheit für die Beschäftigten"

Die IG Metall zeigte sich erleichtert über den Vertrag zwischen Siemens und Arques. "Mit dem Verkauf entsteht zumindest für die nächsten zwei Jahre Klarheit für die Beschäftigten. Die quälende Hängepartie findet ihr vorläufiges Ende", sagte Funktionär Martin Kimmich. Arques, das auf den Kauf und die Sanierung von schlingernden Unternehmen spezialisiert ist, kündigte an, SHC wohl länger als seine üblichen Beteiligungen zu halten: Die zunächst sehr erfolgreiche Arques hatte ihre Anleger zuletzt mit überraschenden Management-Wechseln verblüfft und geschäftliche Rückschläge hinnehmen müssen: Im Jänner war die unter Arques-Regie geformte Druckerei-Holding Arquana zusammengebrochen. (APA/Reuters)