Foto: APA/epa

Richard Holbrooke in Sarajewo, 12. Februar 1996

Belgrad  - Der bosnisch-serbische Ex-Präsident Radovan Karadzic spielte am Donnerstagnachmittag bei seinem ersten Auftritt vor dem UNO-Kriegsverbrechertribunal einige Karten aus, die für den Westen kompromittierend werden könnten: Der ehemalige US-Beauftragte für den Balkan, Richard Holbrooke, habe ihm im Juli 1996 Straffreiheit versprochen, wenn er sich aus dem öffentlichen Leben zurückziehe. Holbrooke bestritt diese Behauptung, die in den vergangenen Jahren - auch im Umfeld von Karadzic-Freunden - diskutiert wurde, sofort.

Der mutmaßliche Kriegsverbrecher Karadzic war am 19. Juli 1996 als Präsident der Republika Srpska zurückgetreten und hatte auch die Leitung der von ihm gegründeten Serbischen Demokratischen Partei (SRS) aufgegeben. An jenem Tag wurden Journalisten in Belgrad um 08.00 Uhr in der Früh zu einer Pressekonferenz ins Hotel "Hyatt Regency" gebeten, wo Holbrooke wohnte. Dort gab der US-Beauftragte dann den Rücktritt Karadzics bekannt.

"Nicht vollkommen zufrieden"

"Wir haben einen wichtigen Schritt vorwärts gemacht, obwohl wir nicht das erzielt haben, was wir bei unserer Ankunft in Belgrad vorhatten. Wir sind auch nicht vollkommen zufrieden und vertreten die Ansicht, dass die für Kriegsverbrechen angeklagten Personen - und eine von ihnen ist auch Karadzic - vor das Haager Tribunal kommen müssen. Wir werden weiter in diese Richtung arbeiten", erklärte Holbrooke damals.

Der Rücktritt Karadzics sei in der vorigen Nacht nach mehr als zehnstündigen Verhandlungen vereinbart worden, ergänzte Holbrooke 1996 seine Ausführungen. Einer schriftliche Mitteilung zufolge sollte Karadzic nicht mehr in der Öffentlichkeit auftreten und keine Erklärungen mehr gegenüber Medien abgeben. Das Papier haben Karadzic selbst, seine Vizepräsidentin Biljana Plavsic, der damalige bosnisch-serbische Parlamentspräsidenten Momcilo Krajisnik sowie der Außenminister der Republika Srpska, Aleksa Buha, unterzeichnet. Der damalige serbische Präsident Slobodan Milosevic und Serbiens Außenminister Milan Milutinovic signierten es als Zeugen. Karadzic habe die Mitteilung in Pale in Abwesenheit von Zeugen unterzeichnet, nachdem sie vorher in Belgrad von anderen bosnisch-serbischen Vertretern unterzeichnet worden sei, hieß es damals.

"Asyl im Ausland"

Dem Besuch Holbrookes in Belgrad gingen Bemühungen Milosevics voraus, Karadzic zum Rücktritt zu bewegen. Als Gesandte Milosevics waren am 18. Juli auch der damalige Chef des serbischen Staatssicherheitsdienstes, Jovica Stanisic, und der Vizevorsitzende der Sozialistischen Partei, Nikola Sainovic, nach Pale gereist. Beide flogen nach den Gesprächen dort in Begleitung Krajisniks und Buhas nach Belgrad zurück. Medien spekulierten zu jener Zeit, dass Karadzic auch "ein Asyl im Ausland" angeboten worden sei. Karadzic habe sich jedoch entschlossen, "bei seinem Volk " zu bleiben, berichtete die Nachrichtenagentur Beta.

Karadzic soll laut Belgrader Medienberichten nach seiner jüngsten Verhaftung in Belgrad auch serbischen Justizbehörden von seinem angeblichen Straffreiheits-Deal mit Holbrooke erzählt haben. Demnach gab es auf einem entsprechenden Abkommen Platz für drei Unterschriften: Karadzics, Holbrookes und Milosevics. "Wir hatten das Abkommen Milosevic zur Unterzeichnung geschickt, er hat es nie zurückgeschickt", soll Karadzic laut der Tageszeitung "Blic" gesagt haben. Das serbische Außenministerium stellte vor mehreren Monaten fest, dass sich kein solches Dokument in seinem Besitz befinde. (APA)