"Sie schauen immer wieder vorbei, sei es, um irgendein Formular auszufüllen, um einen Anruf zu tätigen oder einfach nur um einen Kaffee zu trinken", erzählt der Betreuer und grüne Bundesrat Efgani Dönmez

derStandard.at/Markus Kiesenhofer

Zwanzig unbegleitete minderjährige Flüchtlinge leben in der Blütenstraße 5, die Burschen wohnen im ersten und zweiten Stock, den Mädchen gehört der dritte.

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Faabris musste fliehen. In seiner Heimat werden Muslime, die zum Christentum konvertieren, schikaniert, verhaftet und verfolgt. Vor vier Monaten kam er alleine nach Österreich. Der Staat bezeichnet den Siebzehnjährigen als UMF, als unbegleiteten minderjährigen Flüchtling.

Der Iraner wohnt heute in einem unscheinbaren Altbau im Linzer Stadtteil Urfahr, keine hundertfünfzig Meter von der Zentrale der FPÖ Oberösterreich entfernt. Das blass-orange Haus wirkt frisch renoviert, neben der Milchglastür ist ein Schild angebracht: "Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung, Jugendwohnhaus Blütenstraße".

Hinter der Milchglastür grüßt ein lächelnder afrikanischer Jugendlicher mit Schlabberhose und Hip Hop-Mütze. Im Parterre herrscht geschäftiges Treiben. Die meisten Leute sind in einer kleinen Küche. Ein Mädchen mit Kopftuch steht an der Arbeitsfläche, zwei Betreuer sitzen auf der Küchenbank, einer macht gerade Kaffee. Die Wand neben der Kaffeemaschine ist voll mit Zetteln: Telefonnummern, Einkaufslisten und hausinterne Verlautbarungen. Darunter hängen zwanzig Ausweise. Jeder Bewohner der Blütenstraße 5 ist hier mit Foto, Name und Herkunft vermerkt. 14 Burschen und 6 Mädchen. Die Burschen wohnen im ersten und zweiten Stock, den Mädchen gehört der dritte.

Der Weg ins Jugendwohnhaus

Bevor sie nach Linz kamen, waren sie in den Erstaufnahmezentren in Traiskirchen oder Thalham. In den ersten sechs Monaten des heurigen Jahres stellten bereits 359 unbegleitete Minderjährige einen Asylantrag, im gesamten letzten Jahr waren es 582. Sie kamen aus über 40 verschiedenen Ländern, die meisten von ihnen flohen aus Afghanistan, Moldawien, Somalia und Nigeria. Die Erstaufnahmezentren verteilen die minderjährigen Flüchtlinge auf die Bundesländer, die Sozialabteilungen der Länder weisen sie dann den einzelnen Heimen zu.

Was passiert am 18. Geburtstag?

Neben der Küche des Jugendwohnheimes befindet sich das Büro von Efgani Dönmez. "Auf dem Rücken von Ausländern lässt sich am besten Wahlkampf machen" steht auf einem Plakat. Dönmez besitzt zwei verschiedene Visitenkarten. Eine weist ihn als Flüchtlingsbetreuer der Volkshilfe aus, die andere als Bundesrat der Grünen. Er ist der erste österreichische Parlamentarier mit Migrationshintergrund. (siehe derStandard.at-Interview)

Das Wohnhaus steht Flüchtlingen zwischen 14 und 18 Jahren offen. Was passiert mit jenen Jugendlichen, die ihren 18. Geburtstag erreichen? "Da suchen wir schon Monate vorher bei Kollegen in Erwachsenenquartieren um einen Wohnplatz an", erklärt Dönmez. Bei Jugendlichen, die in einer Schulausbildung sind oder einen erhöhten medizinischen Betreuungsbedarf haben, werde alles daran gesetzt, in Linz einen Platz zu organisieren.

"Ich habe gerade eine E-mail von einem Kollegen erhalten, weil ich für einen Klienten, der im August volljährig wird, um einen Platz angesucht habe. Der Platz soll unbedingt in Linz sein, weil dieser Klient das Gymnasium besucht. Wenn er irgendwo am Land untergebracht wird, heißt das für ihn, dass er die Schule abbrechen muss und das kommt für mich überhaupt nicht in Frage", meint Dönmez.

Danach "Verwaltung statt Betreuung"

Blickt man durch das Fenster in Dönmez' Büro, offenbart sich ein hübscher Garten. Ein paar Fahrräder in der linken Ecke, eine schicke rote Bank in der rechten und in der Mitte ein Tischtennistisch. Der Garten werde im Sommer gerne genützt. Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung gibt es im Jugendwohnheim durchaus. Ein Internetraum, ein Multifunktions-Fitnessgerät, ein Rudergerät, ein Boxsack und ein DVD-Player stehen den Bewohnern zur Verfügung.

Ein Betreuer kommt in der Blütenstraße auf acht oder neun Jugendliche. "Bei den Erwachsenen ist der Betreuungsschlüssel 1 zu 170, da rede ich dann nicht mehr von Betreuung, sondern von Verwaltung", so Dönmez. Volljährige Ex-Bewohner des Hauses kämen immer wieder vorbei, vor allem um die anderen Jugendlichen zu besuchen, aber auch, wenn sie ein Problem haben.

"Das zeigt, dass wir ein gutes Verhältnis mit den Klienten haben. Sie schauen immer wieder vorbei, sei es, um irgendein Formular auszufüllen, um einen Anruf zu tätigen oder einfach nur um einen Kaffee zu trinken", freut sich der Betreuer.

Bezugspunkt

Das Jugendwohnhaus bleibt also ein Bezugspunkt. Wohl auch für den siebzehnjährigen Faabris. Die Betreuer suchen schon eifrig nach einem Platz in einem Erwachsenenheim, denn der Iraner wird in einem halben Jahr achtzehn. Ob er in seinem neuen Heim verwaltet oder betreut wird, wird sich zeigen.  Aber immerhin weiß er nun wo es im fremden Österreich Kaffee gibt: Blütenstraße 5, Parterre, kleine Küche.

(Markus Kiesenhofer, derStandard.at, 15. September 2009)