Wien - Bundespräsident Heinz Fischer hat die Wähler dazu aufgerufen, die von den Parteien an den Tag gelegte politische Kultur bei ihrer Wahlentscheidung mitzuberücksichtigen. Auf die Frage, ob er ein Fairness-Abkommen im Wahlkampf befürworten würde, sagte Fischer in einem Interview mit den "Salzburger Nachrichten": "Das müssen die Parteien selbst entscheiden. Die Verantwortung für den Wahlkampf liegt bei ihnen. Aber falls sich Wähler bei der Wahlentscheidung schwer tun, wäre es naheliegend, auch das Ausmaß an Fairness im Wahlkampf und an politischer Kultur mit ins Kalkül zu ziehen und in der Wahlzelle zu belohnen."
Mehr direktdemokratische Elemente im Zuge einer Staatsreform hält der Bundespräsident nicht für notwendig. "Wir müssen mit den bestehenden direktdemokratischen Elementen sinnvoll und verantwortungsbewusst umgehen. Aber wir brauchen keine zusätzlichen außer einer gesamteuropäischen Volksabstimmung als Ergänzung zur im Lissabon-Vertrag vorgesehenen gesamteuropäischen Volksbefragung", stellt er sich neuerlich gegen die von der SPÖ geforderte Volksabstimmung in Österreich über einen etwaigen neuen EU-Vertrag.
"Emotionale Distanz"
Die mangelnde Zustimmung für die EU erklärt sich Fischer mit einer von den Bürgern empfundenen "emotionalen Distanz. Es kommt noch dazu, dass wir nicht genug tun, um immer wieder ins Bewusstsein zu rufen: Die EU, das sind nicht die andern, das sind wir. Man hat ja oft das Gefühl, die EU wird als feindliches Ausland betrachtet." Auf die Frage, ob das Projekt Europa gefährdet sei, sagt der Bundespräsident: "Es gibt keine unsinkbaren Schiffe." Allerdings sei die EU anders als frühere Großreiche nicht militärisch, sondern auf freiwilliger Basis entstanden und insofern sehr zukunftstauglich.
Der Politikverdrossenheit will der Bundespräsident mit einer Besinnung auf Werte und Prinzipien begegnen. "Wir müssen das europäische Menschenbild ernst nehmen. Zu diesem zählt das Prinzip der Gleichwertigkeit aller Menschen und dass alle Menschen gleich an Rechten und Würde geboren sind. Manchmal hat man den Eindruck, als hätte man von diesem Prinzip noch nie gehört oder als sei es auf ein bestimmtes Land oder eine bestimmte Gruppe in der Gesellschaft reduziert. Dieses Prinzip wird oft vergessen, wenn jemand eine andere Sprache spricht, aus einem anderen Land kommt oder einer anderen Religion oder Kultur angehört. Eine Wertedebatte über diese Prinzipien, zu denen auch Humanismus und Verantwortungsbewusstsein zählen, würde uns gut tun. " In diesem Zusammenhang würde Fischer auch einen verstärkten Einsatz des humanitären Bleiberechts begrüßen. (APA)