Eigentlich hatte sich auch die SPD-Führung in die Sommerferien verabschiedet. Doch die Causa Clement lässt die deutschen Sozialdemokraten nicht zur Ruhe kommen. Eiskalt hat sie der überraschende Beschluss der Parteischiedskommission in Nordrhein-Westfalen erwischt, den früheren Superminister wegen parteischädigenden Verhaltens aus der SPD zu werfen. Und nun ist der zuletzt mühsam gekittete Riss zwischen den Parteilagern wieder deutlich sichtbar geworden.
"Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung in der Partei Willy Brandts so geringgeschätzt wird. Das war undenkbar für mich" , erklärt der zutiefst frustrierte Wolfgang Clement im Kölner Stadtanzeiger. Er soll ja die SPD nach 38 Jahren verlassen, weil er sich im hessischen Wahlkampf kritisch über die Energiepolitik von SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti geäußert hat. Doch Clement und viele andere Sozialdemokraten sehen in diesem Vorwurf nur einen Vorwand. In Wirklichkeit solle da ein deklarierter Vertreter der Reformpolitik von Ex-Kanzler Gerhard Schröder quasi in einem Schauprozess von den Parteilinken mundtot gemacht werden. "Zum ersten Mal scheint der linke Flügel über eine Mehrheit in Parteivorstand und Parteirat zu verfügen" , klagt Clement.
Noch deutlicher wird Ex-Innenminister Otto Schily, der Clement bei dessen Berufung gegen den Rauswurf vor dem Bundesschiedsgericht der SPD vertreten wird. Clement zu verbannen habe "suizidalen Charakter" , sagt Schily, der nun wieder als Anwalt tätig ist.
Zwar hat sich auch SPD-Chef Kurt Beck von den Reformen der Ära Schröder/Clement entfernt, indem er die Verlängerung des Arbeitslosengeldes I initiierte. Doch ein Rauswurf Clements käme Beck gänzlich ungelegen. Er weiß genau, dass die SPD noch mehr Wähler verlieren würde, wenn die Partei eine Symbolfigur der Reformagenda hinauskickt.
Zwar darf Beck dem Urteil der Schiedskommission nicht vorgreifen, er machte jedoch am Freitag deutlich, dass er sich für einen Verbleib Clements in der SPD einsetzen will: "Mir ist wichtig, dass in einer Gesamtbetrachtung sowohl persönliches Verhalten als auch die politische Lebensleistung in die Beurteilung einbezogen werden." Daher werde der Parteivorstand in dem Verfahren das Interesse der Gesamtpartei vertreten.
Münteferings Frau verstorben
Mahnende Worte kamen auch vom ehemaligen SPD-Chef Franz Müntefering: "Wolfgang Clement gehört zur SPD dazu. Besonnenheit ist angesagt." In Berlin rechnen und hoffen viele in der SPD, dass "Münte" sich wieder stärker in die Partei einbringen wird. Seine Frau Ankepetra ist an Krebs gestorben. Im November 2007 hatte Müntefering seinen Rückzug als Parteichef und Vizekanzler damit begründet, dass er seiner Frau beistehen wolle. Es hatte aber auch Unstimmigkeiten mit Beck gegeben, weil Müntefering dessen Linksruck nicht mittragen wollte.
Kein Mitleid mit Clement hat hingegen Schleswig-Holsteins SPD-Chef Ralf Stegner: "Es geht darum, dass in der Schlussphase des Wahlkampfs von Hessen, der sehr eng war, Wolfgang Clement aufs eigene Tor geschossen hat. Das hat möglicherweise die entscheidenden Stimmen gekostet." (Birgit Baumann aus Berlin/DER STANDARD, Printausgabe, 2./3.8.2008)