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Olympiaziel von Liu Jia sind die Top Ten.

Foto: APA/Eggenberger


Standard: Was bedeutet es für Sie, zu Olympischen Spielen in Ihrer Geburtsstadt anzutreten?

Liu Jia: Es ist etwas ganz Besonderes, dort zu spielen, wo ich aufgewachsen bin. Ich war natürlich auch in der Zwischenzeit oft zum Training in Peking oder anderswo in China. Aber irgendwie kehre ich nach elf Jahren jetzt zurück. Natürlich freue ich mich darauf, meine Eltern und viele Freunde wiederzusehen. Und natürlich will ich den Chinesen zeigen, wie gut ich im Tischtennis geworden bin.


Standard: Wird Sie der Trubel nicht zu sehr ablenken?

Liu Jia: Wahrscheinlich treffe ich die meisten erst nach meinen Bewerben, ich bleibe dann noch ein wenig länger in China. Vorher muss ich nur schauen, dass ich, vielleicht über das ÖOC, meinen Eltern noch Karten besorge für die Tischtennisbewerbe. Sie wollten sich ganz normale Tickets kaufen, aber gerade Tischtennis war binnen kürzester Zeit ausverkauft.


Standard: Tischtennis ist Volkssport Nummer eins in China, die Konkurrenz im Spitzensport ist enorm. War das der Grund, warum Sie seinerzeit, mit 15 Jahren, nach Österreich übersiedelten?

Liu Jia: Das war sicher der Hauptgrund. Ich hatte in China kaum eine Chance. Wäre ich in China geblieben, hätte ich dem Druck, der dort herrscht, sicher nicht standgehalten. Ich hätte wohl mit dem Tischtennis aufgehört. Im Spitzensport in China läuft alles sehr streng, sehr hierarchisch ab.


Standard: China ist eine Diktatur, das gilt nicht nur für den Sport. Glauben Sie, dass die Olympischen Spiele an den Verhältnissen in China etwas ändern werden?

Liu Jia: China hat sich schon sehr verändert, China wird sich weiterverändern. Das Land hat sehr lange auf die Olympischen Spiele gewartet. Es hat eine sehr gute Chance, sich ein neues Image zu verpassen; ich bin mir sicher, es wird die Chance nützen.


Standard: Im Vorfeld wird vor allem über die chinesischen Probleme berichtet. Die Presse, die China derzeit hat, ist alles andere als gut.

Liu Jia: Der Westen muss geduldig sein mit China und China eine Chance geben. Natürlich werden die Medien immer wieder auch über Probleme und chinesische Fehler im Umgang mit einigen Themen berichten. Aber das war der chinesischen Führung klar, das hat sie in Kauf genommen. Die Chinesen sind ja nicht naiv.


Standard: Was sind für Sie die Bereiche, in denen China die größten Probleme hat, sozusagen westliche Standards zu erreichen?

Liu Jia: Es ist kein Geheimnis, dass China noch Probleme hat im Bereich der Menschenrechte, im Bereich des Umweltschutzes. China war immer ein ganz anderes Land als beispielsweise Österreich und ist es noch.


Standard: Und nach den Olympischen Spielen wird alles anders und besser sein?

Liu Jia: Wie gesagt, vieles hat sich schon verändert und gebessert. China kann sich nicht von heute auf morgen um 180 Grad drehen. Umweltschutz passiert nicht von einem Tag auf den anderen.


Standard: Werden Sie nach Ihrer Tischtenniskarriere nach China zurückkehren?

Liu Jia: Ich denke, ich werde in Österreich alt werden. Auf jeden Fall will ich noch ein paar Jahre spielen und danach in Österreich studieren - traditionelle chinesische Medizin.  (Fritz Neumann, DER STANDARD Printausgabe 02.08.2008).