Peking - Wenige Tage vor Eröffnung der Olympischen Spiele in Peking wächst die weltweite Empörung über die Medienzensur der chinesischen Machthaber. Ins Zentrum der Kritik rückt dabei auch der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Jacques Rogge. Auf einer Pressekonferenz in Peking sprach der Belgier am Samstag nur noch vom "vollsten möglichen" und nicht mehr vom freien Zugang zum Internet, den China im internationalen Medienzentrum zu garantieren bereit wäre.

IOC-Kommunikationschefin Giselle Davies hat in Peking zugegeben, dass die chinesische Führung keinen kompletten Zugang zum Internet zugesagt hat. "Wir hätten natürlich gern einen totalen und freien Zugang", sagte Davies am Samstag vor ausländischen Journalisten in der chinesischen Hauptstadt. "Was aber China versprochen hat, sind alle Möglichkeiten für die Medien, ihre Arbeit zu machen, ihre Reportagen, sie zu schicken und sie zu verbreiten." Die Kommunikationschefin versuchte damit eine Unterscheidung zu machen zwischen einem vollständig ungehinderten Zugang und einem Zugang, der sich auf die konkreten Arbeitsnotwendigkeiten beziehen würde.

Zensur leicht gelockert

Die chinesischen Behörden hatten die Internetzensur am Freitag leicht gelockert. So kam es nach einer Intervention des IOC bei den Pekinger Organisatoren zu einer Freischaltung etwa der Seiten von "Reporter ohne Grenzen" (RSF), der britischen Rundfunkanstalt BBC und der Deutschen Welle. Regimekritische Webportale wie jene der katholischen Nachrichtenagentur Asianews, die sich mit der Untergrundkirche in China befasst, oder tibetischer Aktivisten im Ausland blieben weiter blockiert.

Bei der Vergabe der Olympischen Spiele an Peking hatte China eine völlig freie Berichterstattung zugesagt, wie es bisher stets geheißen hatte. Zuletzt schränkte IOC-Pressechef Kevan Gosper ein, diese Zusage habe sich mit Blickrichtung auf das Internet nur auf Seiten bezogen, die sich unmittelbar mit den Sportveranstaltungen befassten. Dies habe er aber selbst erst kürzlich von den Veranstaltern erfahren, sagte Gosper und deutete an, dass Rogge von dieser Veränderung gewusst haben müsse. Der IOC-Präsident wies dies vehement zurück und lehnte zugleich eine Entschuldigung für die jüngsten Entwicklungen ab. "Ich entschuldige mich nicht für etwas, wofür das IOC nicht verantwortlich ist", sagte Rogge, der die Organisation der Spiele als hervorragend lobte.

Rücktrittsforderung

Den Rücktritt des IOC-Präsidenten hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) gefordert, weil Rogge durch "katastrophales Krisenmanagement und widersprüchliche Informationspolitik der Olympischen Idee und der Achtung der Menschenrechte in China schweren Schaden zugefügt" habe. In der Frage der Internet-Zensur sei Rogge vor der Willkür der chinesischen Behörden "eingeknickt", erklärte am Sonntag der GfbV-Asien-Referent Ulrich Delius. Die GfbV-Internetseite gehört zu den in China gesperrten Seiten. Auch die Menschenrechts- und Gefangenenhilfe-Organisation Amnesty International wirft dem IOC Versagen vor. Führende deutsche Zeitungen und Fernsehsender haben gegen die Beschränkungen der Arbeitsmöglichkeiten für Journalisten in Peking protestiert.

Delius forderte vom IOC bei der Vergabe von Olympischen Spielen Menschenrechtsstandards einzuführen. "Das IOC ist weltfremd, wenn es gemäß seinen Umweltstandards zwar einerseits regelmäßig die Luftqualität an den Austragungsorten überprüfen lässt, es ihm andererseits jedoch offensichtlich gleichgültig ist, wenn es neben den Stadien zu Massenverhaftungen kommt." Deutsche Herausgeber und Chefredakteure sprachen ihrerseits von Zensur und von einem diktatorischen Regime in China. ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung": "Als die Spiele vergeben wurden, wussten doch alle, dass man sie nach China vergibt - in ein System mit diktatorischen Auswüchsen. Jeder wusste, dass gerade das Thema Pressefreiheit eines der schwierigen sein würde." Seiner Ansicht nach sei die Pressefreiheit nicht gewährleistet. Die Organisatoren hätten die Zusage, den ausländischen Journalisten die Arbeitsmöglichkeiten zu geben, die sie in anderen Ländern mit Pressefreiheit auch haben, nicht eingehalten. (APA/AP/AFP/dpa)