Die nepalesische Polizei löste am Wochenende Pro-Tibet-Proteste auf und verhaftete 250 Aktivisten. Die Führung in Kathmandu reagiert mit Härte, um China nicht zu verärgern, sagt der Asienexperte Christian Wagner.

Kathmandu – Es waren Bilder, wie sie bereits im März, als der Aufstand in Tibet ausbrach, rund um die Welt gingen: Polizisten, die mit Holzstecken auf Demonstranten einprügeln, sie wegzerren und verhaften. Die Fotos stammten nicht aus China, sondern aus Nepal, wo Exiltibeter erneut Protestmärsche veranstalten wollten. Die Polizei regierte darauf wie bereits im März mit äußerster Härte.

Allein in Kathmandu wurden am Sonntag 250 Demonstranten festgenommen. Nach Augenzeugenberichten hinderte die Polizei die Menschen mit Schlagstöcken daran, vor der chinesischen Botschaft gegen Pekings Tibet- und Menschenrechtspolitik zu protestieren. Bereits am Freitag, unmittelbar vor Eröffnung der Olympischen Spiele, hatte die Polizei ei-ne antichinesische Demonstration aufgelöst und mehr als 1380 Exil-tibeter festgenommen.

Rücksicht auf China

In Nepal sind 20.000 Tibeter als Flüchtlinge registriert, tausend weitere halten sich ohne Flüchtlingsstatus im Land auf. Seit Beginn der Proteste im März sind mehrere tausend Tibeter vorübergehend festgenommen worden. Die Regierung in Kathmandu wird wegen ihres harten Vorgehens gegen die Demonstranten international kritisiert.

"China ist neben Indien der zentrale außen- und wirtschaftspolitische Partner Nepals. Darum duldet die Führung in Kathmandu keine antichinesischen Proteste, darum dieses harte Vorgehen" , sagt Christian Wagner, der Leiter der Forschungsgruppe Asien bei der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik im STANDARD-Gespräch.

Für die nepalesische Regierung gilt daher auch Tibet als Teil Chinas. Daran habe auch die Machtübernahme der Maoisten in Nepal nichts geändert, sagt Wagner. Dabei hätten die Maoisten keine besonders engen Beziehungen zu Peking, China hat sogar bis zuletzt den nepalesischen König unterstützt, sagt Wagner, ihm die Lieferung von Waffen angeboten.

Erst im Mai wurde Nepals König Gyanendra entthront, die Maoisten hatten zuvor die Wahlen für eine verfassungsgebende Versammlung gewonnen und die Republik ausgerufen. "Aber auch wenn das keine enge Partnerschaft ist, haben die Maoisten inzwischen die strategische Bedeutung Chinas erkannt und einen pragmatischen Kurs eingeschlagen."

Wagner glaubt auch, dass die Exiltibeter gezielt versuchen, die Proteste, die sich zunächst auf Indien konzentriert hatten, nach Nepal zu tragen. China gewinnt für Indien immer mehr an politischer und wirtschaftlicher Bedeutung, weshalb auch die indische Regierung versuche die Proteste der Exiltibeter kleinzuhalten. "Weil die innenpolitische Lage in Nepal aber instabil ist, hatten sich die Tibet-Aktivisten erhofft, dort mehr Erfolg zu haben" , sagt Wagner. (szi, dpa, Reuters/DER STANDARD, Printausgabe, 12.8.2008)