STANDARD: Der Iran scheint das Angebot der internationalen Gemeinschaft abzulehnen. Sind die Hoffnungen auf eine Entspannung im Atomstreit damit zunichte?
Posch: Nein. Das Hauptproblem besteht darin, dass Präsident Ahmadi-Nejad sehr wohl versteht, dass er eine Einigung mit der Welt braucht, er aber jede Mäßigung als Nachgeben, als Aufgeben, sieht. Er und seine Leute verstehen Diplomatie nicht. Das ist nicht sehr erstaunlich, denn sie gehören zur extremen_Rechten im Iran. Die Menschen um Ahmadi-Nejad sind von ihrer Ausbildung, von ihrem Verständnis der internationalen Beziehungen her nicht in der Lage, die richtige Politik - nämlich dass man sich mit dem Westen einigt - durchzuführen.
STANDARD: Ahmadi-Nejad will den Konflikt also lösen, schafft aber die Wende nicht.
Posch: Das ist der Widerspruch. Aber das ist ein Problem von vielen Ideologen, wenn sie Politik machen müssen. Die einzige Kurskorrektur, die der Iran machen müsste, ist ein „Freeze for Freeze": Also dass Teheran die Uran-Anreicherung einfriert, während der Westen das Gleiche mit den Sanktionen macht. Es geht dabei nicht einmal um einen wirklichen Stopp der Uran-Anreicherung. Trotzdem lehnt der Iran ab. Da ist einfach zu viel Misstrauen: Die Iraner sind überzeugt, dass eine Finte dahinter steckt und der Westen dem Iran nur seine Rechte nehmen will.
STANDARD: Wie kann es jetzt weitergehen?
Posch: Der Iran provoziert jetzt automatisch eine Reaktion. Die kann nur so aussehen, dass man den Weg der Sanktionen weitergeht. Es liegt in der Logik der Verhandlungen, dass die internationale Gemeinschaft handeln muss, um ihre Glaubwürdigkeit nicht zu verlieren. Aber in der europäischen und der US- Diplomatie hat man gelernt, dass es weniger wichtig ist dramatische Schritte zu setzen, sondern dass man mit Geduld arbeiten muss. Vielleicht wird jetzt noch eine iranische Bank sanktioniert, aber nicht viel mehr. Denn die schwerste Sanktion für den Iran ist seine Isolation in den internationalen Beziehungen. Sie stehen vor dem Scherbenhaufen ihrer Diplomatie:_Indien ist fort, Russland und China sind verärgert. Und unter den Blockfreien halten dem Iran nur mehr Venezuela und Kuba die Stange.
STANDARD: Welche Auswirkungen hat diese Isolation?
Posch: Die Iraner werden sich trotz der Isolation durchwursteln. Fragt sich nur, um welchen Preis. Um den Preis, dass die innere Legitimität vollkommen verlorengeht? Der Iran ist keine Diktatur wie der Irak unter Saddam Hussein. Dazu ist das System zu fragmentiert, das iranische Regime muss einen Minimum an Wohlstand produzieren. Für die Aufrechterhaltung der Autorität des Regimes ist es zu wenig, Freunde in Machtpositionen unterzubringen und Geld in die Schattenwirtschaft zu stecken.
STANDARD: Israel hat den Iran scharf davor gewarnt, die Uran-Anreicherung fortzuführen und sogar Militär_manöver abgehalten. Hat das Teheran beeindruckt?
Posch: Dieses Training, diese verschärfte Rhetorik war überflüssig. Die iranische Reaktion lautete unisono: Die sollen nur kommen. Wenn jemand Druck auf den Iran ausüben kann, dann die USA, das verstehen die Iraner. Aber die Frage ist ja, was besser ist: Druck oder Engagement. Es gibt im Iran eine Generation, die in den 80er-Jahren, mitten im Krieg (zwischen Iran und Irak, Anm.) groß geworden ist. Die haben dramatische Erlebnisse hinter sich. Die lassen sich von solchen Drohungen nicht mehr beeindrucken. Die wissen, wie Bomben ausschauen. (András Szigetvari, DER STANDARD, Printausgabe, 4.8.2008)