Menschenrechtler fordern den Rücktritt von IOC-Präsident Jacques Rogge.

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Die Pekinger Sicherheitsbehörden haben vor den Olympischen Spiele ihre Regeln für Demonstrationen zum zweiten Mal innerhalb von zehn Tagen verschärft. Am 23. Juli hatten sie zuerst verfügt, dass alle Proteste nur in drei Parkanlagen in Peking erlaubt sind. Nun verlangen ausgefeilte Verordnungen, dass Kundgebungen fünf Tage im Voraus schriftlich anzumelden sind. Dies macht spontane Proteste illegal. Ein Einspruch ist nicht möglich, da die Behörden und keine Gerichte entscheiden. Ausländer haben ihren Antrag mit chinesischer Übersetzung einzureichen. Wenn Institutionen oder NGOs beteiligt sind müssen sie ihre Anträge mit Firmenstempel versehen. Auch dürfen Demonstrationen „weder die Freiheit oder das Recht eines Anderen, noch die Interessen von Staat, Gesellschaft und Kollektiv verletzen".

Abgewimmelt, abgeschoben

Die pensionierte Ärztin Ge Yifei aus der Stadt Suzhou wollte gegen das Unrecht von Hausenteignungen demonstrieren. Als sie ihren Antrag bei der Polizeibehörde im Sinne der neuen Olympia-Verordnung eingereicht hatte, wurde die Aktivistin nach Hongkonger Presseangaben festgesetzt und abgeschoben. Angeblich wurde ihr gesagt, dass im anvisierten Park nur Pekinger demonstrieren dürfen.
Für das IOC stellt die rechtsstaatlich verbrämte Farce eines Demonstrationsrechts eine weitere Brüskierung dar. Offenbar ist das IOC unter Präsident Jacques Rogge nicht einmal über die Maßnahme informiert worden. Rogge hatte sich am Samstag mühsam gegen Vorwürfe im Zusammenhang mit Chinas Internet-Zensur verteidigt, wonach das IOC diese Einschränkung gebilligt habe. „Nicht wir betreiben das Internet in China, sondern Chinas Behörden." Auf die Frage, ob der Glaube an eine veränderte Haltung Chinas gegenüber dem Internet naiv gewesen sei, sagte Rogge: „Ich würde sagen, wir sind Idealisten. Idealismus ist mit einer gewissen Naivität verbunden."
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) forderte den Rücktritt des IOC-Präsidenten. Amnesty International wirft dem IOC Versagen vor. Die Webpage von Amnesty kann in China nun zwar geöffnet werden, allerdings nicht der Link www.thechinadebate.org/en/. Nicht aufrufbar sind alle Internetseiten die sich mit der Sekte Falun Gong befassen. Die chinesische Presse ignorierte alle kritischen Worte von Rogge. Sie schrieb, dass er von Chinas Vorbereitungen auf die Spiele „begeistert" sei und der Regierung nur Bestnoten ausstellen könne. Johnny Erling aus Peking, DER STANDARD, Printausgabe, 4.8.2008)