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Botschafter Ferdinand Trauttmansdorff schrieb eine Antwort, die die „Krone" nicht wollte.

Adrian Hollaender, nach eigenem Bekunden Professor und Aktivist rund um die Anti-EU-Initiative „Rettet Österreich", hat in seiner Krone-Kolumne am 20. Juli der österreichischen Außenministerin Ursula Plassnik „völkerrechtliche Versäumnisse" vorgeworfen. Es geht darin unter anderem um die Beneš-Dekrete in Tschechien und der Slowakei, die zur Vertreibung und Enteignung deutscher und anderer Minderheiten geführt haben. Diese „menschenrechtswidrigen (Un-)Rechtsakte" stünden heute nach wie vor „in Geltung", schrieb Hollaender. Und: „Weder die österreichische Außenministerin noch die sonst so um Menschenrechtsbekenntnisse bemühte EU haben bisher ihre Aufhebung erwirkt."
Im Zusammenhang mit dem Melker Abkommen und den angeblich nicht ausreichenden Sicherheitsmaßnahmen beim Atomkraftwerk Temelín kritisiert Hollaender, dass Österreich keine „internationalen Rechtsschritte" gegen Tschechien gesetzt habe.

Zu diesen Vorwürfen verfasste Botschafter Ferdinand Trauttmansdorff, der Leiter des Völkerrechtsbüros im Außenministerium, eine Replik. Hier der Text, den die Kronen Zeitung laut Außenamt nicht veröffentlichen wollte:

Trauttmansdorff antwortet

„Für Prof. Dr. Adrian Hollaender stellt sich alles zu einfach dar: Die Beneš-Dekrete stehen formell noch in Kraft, also hätten die EU und die österreichische Außenpolitik versagt. Ähnlich zu Temelín: zwischen Österreich und Tschechien besteht ein Vertrag über Sicherheitsmaßnahmen, also könne Österreich internationale Rechtsschritte gegen Tschechien ergreifen. So einfach ist die völkerrechtliche Welt aber nicht. Das sollte ein Fachmann wie Dr. Hollaender wissen: Gerade er sollte doch die konkreten völkerrechtlichen Gegebenheiten kennen!

Österreich versäumt keine Gelegenheit, das mittlerweile auch von tschechischer Seite anerkannte Unrecht der Beneš-Dekrete zu betonen. Das trifft gerade für unsere Außenministerin Dr. Ursula Plassnik zu, die international als eine der zähesten Verhandlerinnen und Frau mit Rückgrat - im Gegensatz zum oft kolportierten Diplomaten-image - bekannt ist. Österreich kann allerdings die Tschechische Republik weder gerichtlich noch außergerichtlich zur Aufhebung der Beneš-Gesetze zwingen - auch andere Staaten wie Deutschland haben das nicht erreicht.

Zur menschenrechtlichen Seite: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat leider keine Zuständigkeit für die Enteignungen aufgrund der Beneš-Dekrete, die vor seiner Errichtung und bevor Tschechien Vertragspartei der Europäischen Menschenrechtskonvention wurde, stattgefunden haben. Die EU, deren menschenrechtliches Engagement unbestritten ist, mischt sich in die Eigentumsordnung der Mitgliedstaaten nicht ein. Das geht aus Art. 295 des EG-Vertrags hervor, der ausdrücklich festhält: „Dieser Vertrag lässt die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt." Dies hat auch eine gründliche internationale Auseinandersetzung mit dieser Frage vor dem EU-Beitritt neuer Mitgliedstaaten im Jahre 2004 bestätigt. Diese Auseinandersetzung hat eindeutig ergeben, dass die sogenannten Beneš-Dekrete heute keine Wirkungen mehr entfalten können und „totes Recht" sind.

Sollte der Vertrag von Lissabon in Kraft treten, würde die Europäische Union im Übrigen wesentlich bessere Grundlagen für den Grund- und Menschenrechtsschutz als bisher bekommen. Auch das ist Herrn Hollaender bekannt, selbst wenn er es nicht wahrhaben will.
In den laufenden Kontakten mit Tschechien über die Sicherheit des Atomkraftwerks Temelín vertritt Österreich klar seine Positionen, auch seine rechtlichen Positionen. Wenn Dr. Hollaender das Fehlen konkreter Maßnahmen zur Durchsetzung der rechtlichen Position Österreichs kritisiert, denkt er offensichtlich an die von Laienseite oft geforderte „Völkerrechtsklage" gegen Tschechien. Tschechien kann allerdings - wie genaue Untersuchungen bestätigt haben - nicht einfach vor ein Gericht gezerrt werden. Nur wenn sich die tschechische Republik der Gerichtsbarkeit eines einschlägigen internationalen Gremiums unterwirft, wäre eine solche Klage möglich und vielleicht erfolgversprechend. Unter den gegebenen Umständen hätten die von Dr. Hol_laender geforderten ,konkreten juristischen Taten‘ nur hohe Kosten zur Folge, aber kein Gerichtsverfahren im Interesse Österreichs. Die bilaterale Parlamentarierkommission war sicherlich ein guter Weg. Nach dem Abschluss ihrer Arbeiten wird die österreichische Bundesregierung selbstverständlich nicht aufhören, die Erfüllung des Melker Abkommens auf Punkt und Beistrich einzufordern." (DER STANDARD, Printausgabe, 4.8.2008)