Foto: CAWP

"Während Rassismus nicht lustig ist und darüber keine Witze gerissen werden, ist es aber noch immer in Ordnung über Sexismus zu lachen." Debbie Walsh, Direktorin des Center for American Woman and Politics (CAWP), über Sexismus im US-Wahlkampf. 

Wieder kandidiert keine Frau für das Präsidentenamt der USA. Dennoch war dieses Jahr ein "Breakthrough-Year", meint Debbie Walsh, die Direktorin des Center for American Woman in Politics (CAWP). Sie erkärt im Interview mit derStandard.at warum es für Frauen in der Politik trotzdem schwierig bleibt, sich durch die gläserne Decke zu kämpfen und warum die weiblichen Stimmen an die Demokraten gehen. 

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derStandard.at: Ist es ein Rückschlag für die Emanzipation, dass es erneut keine Präsidentschaftskandidatin gibt?

Debbie Walsh: Ich denke dieses Jahr war, obwohl Clinton verloren hat, ein 'Breakthrough-Year'. Mit ihr hatten wir die erste Kandidatin in diesem Land, die eine echte Chance auf den Wahlsieg hatte. Clinton hat ein unglaublich starkes und knappes Rennen geliefert. Sie hat 18 Millionen Stimmen bekommen und oft lag sie mit Barack Obama gleich auf. Das beantwortet in vieler Hinsicht die Frage, ob die Amerikaner bereit sind, einen weiblichen Präsidenten zu wählen.

derStandard.at: Hat Hillary Clinton es der nächsten Kandidatin leichter gemacht?

Walsh: Clinton hat das Fundament gelegt. Die Frage ist allerdings, ob es Frauen gibt, die in der Position sind, das zu machen was Clinton gemacht hat. Es gibt wenige Frauen, die ein politisches Amt, eine stabile Basis und die Fähigkeit haben, Geld aufzutreiben.

Der Pool an Leuten, die in den USA bei Präsidentschaftswahlen antreten können, ist ohnehin sehr klein. Die Kandidaten sind meistens Gouverneure und Senatoren - hin und wieder gibt es auch einen General, wie Dwight D. Eisenhower. Es gibt allerdings nur eine Handvoll weiblicher Gouverneure und nur 16 Frauen sitzen im US-Senat. Außerdem sollte ein Präsidentschaftskandidat aus einem großen Bundesstaat kommen. Der Kreis an potentiellen weiblichen Kandidaten ist jedenfalls sehr klein.

derStandard.at: Warum ist es für Frauen besonders in der Politik so schwer die gläserne Decke zu durchbrechen?

Walsh: Frauen starten ihre politische Karriere zu einem späteren Zeitpunkt im Leben als Männer, weil sie mehr unter einen Hut bringen müssen. Für berufstätige Frauen, die sich auch um Kinder und Haushalt kümmern, ist ein politisches Amt beinahe wie ein dritter Vollzeitjob. Deswegen warten Frauen bis sie älter sind, um sich um ein Amt zu bewerben. Das verkürzt ihre Laufbahn und politische Karriere. Und das macht es schwieriger für Frauen, höhere Ebenen zu erreichen.

Außerdem ist es für Frauen schwieriger die Unsummen an Geld aufzutreiben, die es für eine Präsidentschafts-Kampagne braucht. Clinton hatte Zugang zu den Geld-Netzwerken, sie war von Anfang an bundesweit bekannt - all das machte sie zu einer ernstzunehmenden Kandidatin. Es gibt wenige andere Frauen, die in einer ähnlichen Position wären.

derStandard.at: Gibt es jemanden, den Sie als nächste Kandidatin sehen?

Walsh: Wenn man sich die Senatorinnen und Gouverneurinnen ansieht, gibt es wenige, die in einer ähnlichen Ausgangsposition wie Clinton sind. Aber man weiß nie. Niemand hätte vor acht Jahren gesagt, Barack Obama wäre ein Kandidat. Damals war er Abgeordneter in Illinois. Niemand hatte ihn als demokratischen Kandidaten auf dem Radarschirm.

derStandard.at: Reicht es eine Frau zu sein, um die Stimmen der Wählerinnen zu bekommen?

Walsh: Nein. Ausschlaggebend für die Stimmen der Frauen ist die Partei des Kandidaten, nicht das Geschlecht.  Frauen wählen überwiegend demokratisch. Wenn dann der Kandidat der Demokraten eine Frau ist, kann das die Stimmen der Frauen zusätzlich anziehen.

derStandard.at: Warum wählen Frauen eher demokratisch?

Walsh: Für die Wahlentscheidung von Frauen sind meistens wirtschaftliche Themen ausschlaggebend. Frauen sehen sich selbst als wirtschaftlich verwundbarer und infolgedessen auch eher als Nutznießer des sozialen Sicherheitsnetzes. Das ist ein Thema, das eher mit den Demokraten verbunden wird.

Es ist davon auszugehen, dass am Ende Obama mehr weibliche Stimmen bekommt als McCain. Aber vor Obama liegt hier noch ein großes Stück Arbeit. Es wäre unklug von ihm die weiblichen Stimmen als selbstverständlich hinzunehmen. Es gibt genug desillusionierte Clinton-Wählerinnen, die sich in ihrem Wahlkampf engagierten und die einmalige Chance einer weiblichen Präsidentin in Reichweite sahen. Diese Wählerinnen sind natürlich enttäuscht. Obama muss weiterhin versuchen sie von sich zu überzeugen. 

derStandard.at: Wie soll er dabei vorgehen?

Walsh: Er muss die wirtschaftlichen Themen ansprechen. Die derzeit heikle wirtschaftliche Situation in den USA verunsichert besonders Frauen. Obama muss sich der wirtschaftlichen Themen, die am Küchentisch besprochen werden annehmen - z.B. wie dieser Gehaltsscheck bis zur nächsten Woche reichen soll. Wichtig wird auch sein, wie sehr sich Clinton in die Kampagne Obamas einbringt.

derStandard.at: Die Kampagne gegen Clinton war zum Teil sexistisch. Hatte das einen Effekt auf das Ergebnis?

Walsh: Ja, das hatte einen Effekt. Natürlich gab es auch Fehler in der Clinton Kampagne. Ihre Niederlage ist nicht nur auf sexistische Angriffe des politischen Gegner zurückzuführen. Aber es ist wichtig festzuhalten, dass es Sexismus in der Berichterstattung und in der Art, wie sie als Kandidatin dargestellt wurde, gab. Daraus sollten wir alle lernen. Das hat Auswirkungen auf die Wahrnehmung von Frauen in Führungspositionen, nicht nur in der Politik.

In der Berichterstattung war es vollkommen in Ordnung das B-Wort (bitch, Anm.) zu verwenden und Kommentatoren witzelten darüber, dass sie ihre Beine übereinander schlagen müssten, wenn sie Clinton sehen würden. Offener Sexismus wurde als Spaß eingestuft. Während Rassismus nicht lustig ist und darüber keine Witze gerissen werden, ist es aber noch immer in Ordnung über Sexismus zu lachen.

derStandard.at: Sie haben auch von Fehlern in der Clinton-Kampagne gesprochen - welche waren das?

Walsh: Es war schwer für Clinton sich davon zu erholen, dass sie dem Krieg im Irak zugestimmt hat. Sie trat schlussendlich auch gegen Obama an, der es schaffte die Stimmung in der amerikanischen Öffentlichkeit richtig einzuschätzen und mit Schlagwörtern wie 'Veränderung' punkten konnte. Und obwohl sie insofern neu war, als dass sie die erste Präsidentin in den USA hätte werden können, ist sie immer noch eine Clinton. Die Clintons sehen viele Amerikaner als etwas was es bereits gab.

Die Strategie, sich als erfahren zu verkaufen, funktionierte ebenfalls nicht. Während der letzten Monate konnte sie zwar wieder bei wirtschaftlichen Themen punkten, aber da war er bereits zu spät. Außerdem war ihre Strategie ihre Nominierung durch einen Erdrutschsieg am Super-Tuesday zu erreichen. Als das nicht funktionierte fehlte ihr ein Plan B. (Michaela Kampl, derStandard.at, 4.8.2008)