Ich wuchs in einer Welt ohne Fernsehen und Kronen-Zeitung auf. Penicillin war noch nicht frei verfügbar. Impfung gegen Polio gab es nicht, daher viele Kinder meines Alters mit Kinderlähmung. Niemand impfte gegen Zecken oder Grippe.

Tiefkühlkost war noch nicht erfunden. Es gab keine Fertiggerichte. Keine Trockenkost. Kein Joghurt. Keine Sushi. Keine Pizza. Keine Erdbeeren im Winter. Keine Mango zum Frühstück. Kein Olivenöl, kein Balsamico. Kein "Fast food" (es klingt für mich bis heute wie Fastenbrei, der fett macht). Es gab einige hundert Käse weniger und nur wenige Weine; keine guten österreichischen Weine. Mc Donald hieß der Geschäftspartner meines Vaters, keiner hatte je von McDonald's, Pizza Hut, Burger King oder Starbucks gehört. Löskaffee war so unbekannt wie Espressomaschinen.

Es gab keinen Kopierapparat. Ich war schon Dekan, als ich erstmals eigenhändig ein Fax aus Japan in Echtzeit in Händen hielt. Computeranlagen von der Rechenstärke eines Laptops füllten große Räume.

Es gab keine Überwachungskameras, weder in Geschäften, noch auf öffentlichen Plätzen. Fingerabdrücke wurden nur "Verbrechern" abgenommen. Als Brillenträger war Brillen tragen auf Passfotos die längste Zeit verpflichtend und nicht verboten.

Es gab noch keine "Pille", keine "davor" und keine "danach". Sex erschien zumindest uns jungen Männern immer "sicher", ausgenommen Schwangerschaften. Präservative hießen nicht mehr "Herrenschutz" und noch nicht Kondome. Aber sie waren doch weithin unüblich und zumindest so anstößig, dass ich wegen ihrer Bestellung für einen bigotten Mitschüler (und wegen eines als zu keck erachteten Aufsatzes) das Theresianum verlassen musste (ein großer Glückstag in meinem Leben).

Schulsport hieß "Leibesübungen". Masturbation galt weithin als selbstgefährdende oder verblödende Leibesübung und wurde definitiv nie empfohlen.

"Gras" wurde gemäht, auf "Schnee" gewedelt, "coke" war Coca Cola auf lässig, im "pot" wurde gekocht, "chips" aß man zu Fisch oder nutzte sie als Holzspäne zum Feuer machen oder als Spielmarken im Kasino, "Aids" waren freiwillige Helferinnen, "hardware" fand man im Haushalts- und Eisenwarengeschäft, "software" gab es nicht einmal als Wort.

Es gab keine Kugelschreiber. Keine Kontaktlinsen. Keine elektrische Zahnbürste. Keine Skateboards. Keine Diesel-PKWs. Keine Sicherheitsgurte, Airbags, Klima- und Alarmanlagen. Kein Goretex und andere neue Materialien. Keine Marken-(artikel). Kein Plastik, keine Kreditkarten. Keine Supermärkte.

Der Bundeskanzler und die Minister waren Respektspersonen. Kurt Waldheim ein geachteter UNO-Generalsekretär, keine beschämende Erinnerung an einen international geächteten und isolierten Bundespräsidenten. Viele Menschen sahen aus, wie von Manfred Deix leibhaftig gezeichnet; aber es gab keine "Deix-Figuren".

Gotteslästerung war zwar nur eine widerwillig gestattete Männerrüpelei, aber doch ein seit vielen Jahrhunderten erstrittenes Bürger- und Menschenrecht, sodass niemand für blöde Witze, mittelmäßige Karikaturen, kontroverse Filme oder wunderbare Romane den Tod fürchten - oder gar erleiden - musste.  (Bernd Marin, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6.8.2008)