Keine zwanzig Busminuten von der Piata Unirii im Zentrum Bukarests entfernt steht man vor ihm. Dem schmucklosen Grab mit den frischen Blumen und dem verronnenen Wachs abgebrannter Kerzen auf dem Ghencea-Friedhof im Südwesten der rumänischen Hauptstadt sieht man auf den ersten Blick nicht an, wessen Ableben er gewidmet ist. Zwei Kreuze stehen dort, wo sich sonst, etwa auf den Gräbern im prominenter belegten Belu-Friedhof, der Grabstein befindet. Ein Steinernes mit einem roten Stern, eines aus schwarzem Eisen, das den Namen des Mannes trägt, der hier am 30. Dezember 1989 eilig begraben wurde.

Rumäniens Ex-Machthaber Nicolae Ceausescu hat, fast 19 Jahre nach seinem Sturz und seiner Hinrichtung, noch immer Anhänger in dem Land, das seit März 2004 NATO- und seit Jänner 2007 EU-Mitglied ist. Zumindest solche, die die Blumenpracht am Grab des 'Conducator' regelmäßig erneuern. Ein Wächter sitzt ein paar Meter daneben und passt auf, dass niemand die Ruhestätte des Exekutierten fotografiert. Das sei notwendig, sagt er, seit Reiseführer den Friedhof als 'Sight' anpreisen und Touristen mit Hang zum Morbiden dem toten Diktator einen Besuch abstatteten. 

Dabei muss man, um in Bukarest Erinnerungen an die 24 Jahre dauernde Diktatur Nicolae Ceausescus zu entdecken, die Innenstadt eigentlich gar nicht verlassen. Man begegnet ihnen - buchstäblich - auf Schritt und Tritt.

Hunde und Bulldozer

Unzählige Straßenhunde, Schätzungen sprechen von bis zu 200.000, zeugen noch heute von dem Plan des Regimes, die Bukarester Altstadt Lipscani in ein neues Verwaltungszentrum des auch wegen eines restriktiven Abtreibungspolitik und der Abschottung nach Außen bis weit in die Achtziger Jahre hinein an Bevölkerung wachsenden Landes zu transformieren. Ein verheerendes Erdbeben, das 1977 Teile der Bukarester Innenstadt zerstörte, kam den Plänen des Diktators Nicolae Ceausescu zupass. Die Bewohner der teils jahrhundertealten Häuser im ehemaligen Händlerviertel mussten weichen, ihre Hunde ließen viele zurück. Nach der Wende 1989 folgten noch mehr Vierbeiner, deren Besitzer sich aus Geldnot von ihnen trennten.

Kein anderes Land des Ostblocks wurde, von der Sowjetunion abgesehen, nach dem Zweiten Weltkrieg so radikal umorientiert wie das traditionelle Agrarland Rumänien. Sistematizire hieß das Zauberwort, mit zwischen 1965 und 1989 systematisch ganze Dörfer mit Bulldozern schleifen und zehntausende Landbewohner in eigens dafür gebaute Plattenbau-Vierteln an den Rändern der Großstädte umsiedeln ließ. An der rumänischen Schwarzmeerküste entstanden unter Ceausescus Regie massive Hotelburgen, die seit der Wende zum Teil zusehends verfallen.

Aux Champs Elysees

Heute findet sich am südlichen Rand der indes teils revitalisierten Bukarester Altstadt die monströse Piata Unirii, dessen megalomane Ausmaße viel zu groß für eine 2,2-Millionen-Einwohnerstadt scheinen. Der Bulevardul Unirii, die dreieinhalb Kilometer lange Hauptmagistrale der Bukarester Innenstadt, soll, so will es die Legende, von einem Besuch des frankophilen Diktators in Paris inspiriert und daraufhin um einen halben Meter breiter als die Champs Elysees konzipiert worden sein. Fast ein Viertel der alten Bausubstanz der Bukarester Innenstadt ging durch den Bau des Unirii-Viertels in den Achtzigerjahren verloren.

Einmal um die Ecke gebogen, fällt der Blick auf den ehemaligen Palast des Volkes. Das Gebäude, der Fläche nach das zweitgrößte der Welt, heißt heute Palast des Parlaments und gehört zum fixen Tourprogramm von Bukarest-Besuchern. An den Dambovita-Stausee im Westen der Stadt verirren sich hingegen nur selten Touristen. Dabei gehört er, genau wie die Chausseen der Innenstadt, zum in Beton gegossenen Erbe der Diktatur. Ceausescus Regime ließ ein halbes Dutzend Dörfer planieren, um an ihrer statt eine riesige Betonwanne in den Boden zu graben. Der Stadtfluss Dambovita, der an der Piata Unirii unter der Erde verschwindet, ergießt seither einen Teil seines Wassers hinein. Entsprechend verschmutzt ist seine Oberfläche.

"Die Geschichte wird mich rächen"

"Lang lebe der Sozialismus", soll Ceausescu kurz vor seiner Erschießung durch ein Revolutionskommando in Targoviste skandiert haben. Und: "Die Geschichte wird mich rächen." Zumindest was die Piata Unirii und Umgebung betrifft, hat der Diktator Recht behalten. (Florian Niederndorfer/ derStandard.at, 4.8.2008)