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Der Juno-Tempel von Agrigent soll für 30 Jahre "privatisiert" werden, Italiens Naturparks soll es nicht anders gehen: "Fehlt nur noch, dass wir auch unser Heer privatisieren."

Nach 41 Tagen und drei Vertrauensabstimmungen hat das römische Parlament am Dienstagabend einen drastischen Sparhaushalt genehmigt, dessen praktische Folgen viele Italiener erst nach den Sommerferien schmerzhaft erfahren werden. Über 36 Milliarden Euro sollen in den kommenden drei Jahren eingespart werden. Die Budgets der Ministerien wurden um 15Milliarden gekürzt, Gemeinden und Regionen müssen fast zehn Milliarden einsparen, im Gesundheitswesen sind Kürzungen von 3,3 Milliarden vorgesehen.

In der Regierung hielt sich die Genugtuung nach der Abstimmung denn auch in Grenzen - nur Finanzminister Giulio Tremonti demonstrierte Zufriedenheit. Das Gesetz sorgt unter vielen Ministern für deutlichen Frust und wird sich vor allem auf Schule, Forschung und Lehre verhängnisvoll auswirken.

Zu denen, die der Rotstift in besonders arge Not bringt, gehört zweifellos Kulturminister Sandro Bondi. Der vom kommunistischen Bürgermeister zum Berlusconi-Anhänger mutierte Minister, der im Parlament ein umfangreiches Programm verkündet hatte, steht plötzlich mittellos da. Mehr noch: Der prominente Denkmalschützer Salvatore Settis wertet die drastischen Einsparungen als "Todesstoß" für die vielfach ohnehin schon massiv bedrohten Kulturgüter des Landes. Seit Jahren kämpft der streitbare Kunsthistoriker und Rektor der angesehenen Scuola Normale in Pisa gegen den "Ausverkauf des italienischen Kulturerbes" und die "skrupellose Kommerzialisierung der Kulturgüter".

"Apokalyptische Ausblicke"

Minutiös rechnete Settis dem Minister in der Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore unlängst die "fatalen Auswirkungen" des Haushaltsgesetzes auf sein Ressort vor. Settis Fazit: "Die beschlossenen Kürzungen von über einer Milliarde Euro in den nächsten drei Jahren kommen einer Stilllegung des Ministeriums gleich." Mit der Kürzung der Geldmittel sei "das exakte Gegenteil" dessen eingetroffen, was der Minister im Parlament angekündigt habe.

Zwar distanzierte sich Bondi sichtlich irritiert von diesen "apokalyptischen Ausblicken" des Vorsitzenden des staatlichen Denkmalrates. Gleichzeitig lud er Settis aber zu einem klärenden Gespräch und versprach, im Parlament gegen die Kürzungen zu kämpfen.
Doch in der Schlussdebatte am Dienstag verzichtete der Minister dann doch auf das offensichtlich aussichtslose Unterfangen, Finanzminister Giulio Tremonti umzustimmen.

Auch Unterrichtsministerin Mariastella Gelmini, deren Ressort von massiven Kürzungen und dem Abbau von 87.000 Lehrer-Stellen betroffen ist, enthielt sich des Protests. Dass eine traditionsreiche Kulturnation wie Italien nur 0,28Prozent des Budgets für die Kunstschätze des Landes aufwendet, wertet Settis als "Symptom einer verhängnisvollen Entwicklung" .

Diese Meinung teilt auch die Galionsfigur des italienischen Denkmalschutzes, Giulia Maria Crespi. Die Vorsitzende des Fondo per l'Ambiente Italiano (FAI), der gefährdete Kulturdenkmäler restauriert und der Öffentlichkeit zugänglich macht, beklagt die "unaufhaltsame Aushöhlung der Denkmalämter, die infolge des chronischen Personal- und Geldmangels ihren Pflichten kaum mehr nachkommen können". In Pension gehende Beamten würden oft nicht ersetzt, auf notwendige Kontrollen müsse verzichtet werden.

Privatisierte Kulturschätze

Crespi wehrt sich mit anderen Schutzverbänden gegen die Privatisierung von Kulturdenkmälern, wie sie das Rechtsbündnis etwa in Sizilien plant. Dort will die Regionalregierung "die Kulturgüter als Geldquelle für die Insel" erschließen. Archäologische Stätten wie die weltberühmten Tempel von Agrigent oder die antiken Theater von Taormina und Syrakus sollen nämlich "für 30 Jahre Privaten übergeben werden, die als Gegenleistung Straßen und Hotels bauen" , schwärmt der zuständige Landesrat Antonello Antinoro.

Mit ähnlichen Privatisierungsplänen sorgt auch Umweltministerin Stefania Prestigiacomo für Aufregung. Sie will die Naturparks des Landes in private Hände legen - zur Empörung der Umweltschützer. "Eine verrückte Idee" , erregt sich Italiens WWF-Präsident Fulco Pratesi. "Jetzt fehlt nur noch, dass wir auch unser Heer privatisieren."  (Gerhard Mumelter aus Rom/DER STANDARD, Printausgabe, 7.8.2008)