James Randi mit "mysteriös" verbogenen Löffeln

Foto: James Randi Educational Foundation

Der Zauberkünstler James Randi hält nichts vom Glauben an Übernatürliches. Seine "James Randi Educational Foundation" hat sich zum Ziel gesetzt, angebliche paranormale Phänomene zu untersuchen. Wer es schafft, unter wissenschaftlich-objektiven Bedingungen übernatürliche Fähigkeiten nachzuweisen, kann sich bei Randi eine Million Dollar abholen. Weder Astrologen noch Wünschelrutengänger oder Homöopathen haben das bisher geschafft. Der STANDARD sprach mit James Randi anlässlich seines achtzigsten Geburtstages.

STANDARD: Sie waren selbst lange Zauberkünstler und lebten von der Faszination des Unerklärlichen. Können Sie Begeisterung über angeblich übersinnliche Phänomene nicht auch nachvollziehen?

James Randi: Nein, das kann ich nicht. Ein Zauberkünstler ist eine völlig ehrliche Person. Er sagt von vornherein: "Ich werde dich täuschen, indem ich Tricks verwende." Ein Spiritist wird das nie zugeben.

STANDARD: Wie kamen Sie von der Zauberei zur wissenschaftlichen Untersuchung des Übernatürlichen?

Randi: Nachdem ich mich mit Zauberkunst beschäftigt hatte, stellte ich fest, dass manche Leute genau dieselben Tricks anwenden, die auch ich benutze, diese dann aber als übernatürliche Fähigkeiten ausgeben.

STANDARD: Muss denn das unbedingt gefährlich sein?

Randi: Jede Fehlinformation, auch der Glaube an paranormale, übersinnliche oder okkulte Kräfte kann sehr gefährlich sein. Wenn jemand wirklich glaubt, dass ein Wundermittel eine Krankheit verhindern kann oder den Biorhythmus in Harmonie bringen kann, wird er eher auf echte Hilfe verzichten und sich auf diese Quacksalberei verlassen.

STANDARD: Gibt es nicht auch harmlose Formen von Aberglauben?

Randi: Wenn Sie denken, der Glaube an etwas Harmloseres wie Astrologie könne keinen Schaden anrichten: Soetwas ist nur der erste Schritt, der dann zu tieferem Glauben an Unsinnigkeiten führt.

STANDARD: Glauben die Leute, deren angebliche Fähigkeiten Sie überprüfen, selbst an ihre Behauptungen, oder handelt es sich um bewusste Schwindelei?

Randi: Es ist eine Mischung aus beidem. Ich denke aber, dass zumindest diejenigen, die damit Geld verdienen, nicht wirklich glauben, dass sie tatsächlich übernatürliche Kräfte haben. Religiöse Wunderheiler zum Beispiel sind zwar am Anfang wohl davon überzeugt, dass sie Leute durch Handauflegen heilen können. Aber sehr schnell bemerken sie, dass die Menschen, die sie angeblich geheilt haben, sterben. Und ich denke, sobald sie das erkannt haben, beschließen sie, nicht genau hinzusehen. Sie nehmen das Geld und ignorieren die Wahrheit.

STANDARD: Hatten Sie je mit einem übersinnlichen Phänomen zu tun, das zunächst sogar Sie schwer beeindruckte?

Randi: Nein, nie. Ich bin jetzt achtzig Jahre alt und habe in meinem Leben alle nur denkbaren Spielarten der Tricks gesehen, die diese Leute benützen. Sie sind für mich eigentlich immer sofort durchschaubar.

STANDARD: Gibt es Modetrends des Übernatürlichen? Welchen Wandel gab es in den letzten Jahrzehnten in diesem Geschäft?

Randi: Ich habe keinen bedeutenden Wandel beobachtet. Uri Geller verbog Löffel. Dieser Trick war eigentlich von einem Engländer erfunden worden, und Uri Geller verwendete ihn als Demonstration seiner angeblich übernatürlichen Fähigkeiten. Er hat also nicht einmal den Trick selbst erfunden. Ich habe oft mit Leuten aus anderen Ländern zu tun, die sagen, dort gäbe es wunderbare Künstler, die völlig neue Dinge machen. Aber sobald ich mir das ansehe, erkenne ich: Das meiste davon stammt aus Büchern, die im siebzehnten Jahrhundert gedruckt wurden.

STANDARD: Reagiert die Öffentlichkeit heute anders darauf als früher?

Randi: Die Leute können heute einfacher darauf zugreifen. Durch das Internet haben wir besseren Informationsaustausch. Das bedeutet aber auch, dass wir vorsichtig in Bezug auf Missinformation sein müssen.

STANDARD: Warum hängen so viele Leute in einer technologisch-wissenschaftlich dominierten Gesellschaft noch immer am Übersinnlichen?

Randi:: Viele Leute sind nicht gebildet genug. Das hat auch mit dem Familienhintergrund zu tun. Menschen, denen von Kindesalter an beigebracht wurde, an Engel und Teufel, an Himmel und Hölle zu glauben, werden die Welt kaum auf rationale Weise betrachten. Ich denke, das ist eine absolut schädliche Art, über die Welt nachzudenken. Beweise sprechen für sich. Glauben bedeutet nichts.

STANDARD: Für Sie ist Religion vergleichbar mit telekinetischem Löffelverbiegen?

Randi: Oh ja, da gibt es exakte Parallelen. Für beides gibt es keinen Beweis, und trotzdem ist der Glaube daran weit verbreitet. Es gelingt nie, einen echten Gläubigen davon zu überzeugen, dass er falsch liegt.

STANDARD: Tendieren Menschen deshalb zur Irrationalität, weil sie Wissenschaft als kalt und emotionsleer ablehnen?

Randi: Ja, das ist tatsächlich so. Viele Leute sagen zu mir: "Wissenschaft weiß nicht alles!" Das zeigt, dass sie eine sehr schlechte Vorstellung davon haben, worum es in der Wissenschaft überhaupt geht. Wissenschaft behauptet nicht, alles zu wissen. Wissenschaft behauptet nicht einmal, irgendetwas mit absoluter Sicherheit zu wissen. Wissenschaft trifft nur Aussagen über die Welt, die durch Beobachtung und Experimente untersucht werden, um die Wahrheit zu entdecken. Aber diese Aussagen sind immer Veränderungen unterworfen. Viele Leute da draußen mögen das nicht. Sie haben lieber ihre fantastischen Vorstellungen, weil sie sich damit wohler fühlen. Für viele Leute ist Nachdenken sehr schmerzhaft.

STANDARD: Wie kann man etwas Übernatürliches wissenschaftlich beweisen? Angenommen, eines dieser Phänomene würde Ihre wissenschaftlichen Tests bestehen. Wäre es dann nicht selbst plötzlich Wissenschaft?

Randi: Natürlich. Paranormal ist definitionsgemäß etwas, das angeblich existiert, aber nicht wissenschaftlich bewiesen werden kann. Sobald es erwiesen ist, wird es wissenschaftlich anerkannt.

STANDARD: Sie würden dann also ihre Million Dollar auch für einen neuen physikalischen Effekt bezahlen?

Randi: Natürlich - es müsste eben etwas sein, das bisher wissenschaftlich unerklärbar ist. Wenn jemand eine neuartige Violine erfindet, werde ich ihm keine Million Dollar dafür bezahlen. Es muss von paranormaler, übersinnlicher oder okkulter Natur sein. Homöopathie nehmen wir ebenso in dieses Spektrum auf. Wenn Homöopathie wirken würde, wäre das übernatürlich.

STANDARD: Von Homöopathie wissen wir aber, dass sie zumindest durch den Placeboeffekt wirkt.

Randi: Der Placeboeffekt heilt niemanden. Er bewirkt nur, dass man sich besser fühlt. Der Placeboeffekt kann die Heilung verkürzen, das stimmt. Eine positive Einstellung hilft psychologisch, und das hilft auch dem Rest des Körpers. Aber es ist nicht der Placeboeffekt, der Krankheiten heilt.

STANDARD: Trotzdem: Wenn sich Leute dadurch besser fühlen, hat es dann seine Wirkung nicht schon erreicht?

Randi: Das Problem ist, Leute die sich auf Homöopathie verlassen, werden nicht gesund. Wenn es in Kombination mit Antibiotika oder anderen echten Therapien benützt wird, dann ist das vermutlich in Ordnung, nur ist es sehr teuer. In den USA kosten homöopathische Präparate etwa 70% mehr als Medikamente, die tatsächlich wirken. Viel Geld und Zeit wird für diese Schwindel-Kuren investiert, die überhaupt nichts nützen.

STANDARD: Würden sie Homöopathie gesetzlich verbieten?

Randi: Nein, aber ich würde auf jeden Fall darauf bestehen, dass die Homöopathen darauf hinweisen, dass ihre Mittel kein Medikament enthalten, dass es keine Beweise für die Wirksamkeit gibt, und dass sie nur über Einzelberichte von Leuten verfügen, die glauben, dass es gewirkt hat. Damit wäre ich völlig zufrieden. Schließlich haben Leute das Recht dumm zu sein, wenn sie das wollen.

STANDARD: Was ist Ihr Wunsch für die Zukunft: Wie könnten wir eine rationalere Gesellschaft aufbauen?

Randi: Wir brauchen bessere Lehrer, die nicht ihrerseits Pseudowissenschaft bevorzugen. Und auf jeden Fall brauchen wir Politiker, die auf diese Fragen größeren Wert legen. (Florian Aigner/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7. 8. 2008)