Neue Wohnhausanlage auf den Brauereigründen: je nach Standpunkt und Perspektive politisches oder architektonisches Statement

Foto: STANDARD/ Christian Fischer

Auf dem Liesinger Markt hat man den neuen SPÖ-Spitzenkandidaten bisher nicht oft gesehen. In seinem Heimatbezirk ist er dennoch präsent – direkt und durch seine Vertrauten

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Wien-Liesing ist ein Bezirk voller Gegensätze. Werner Faymanns Liesinger Bande halten bis heute, im Bezirk ist vieles wie damals geblieben – Von Petra Stuiber

Wien – Die sichtbarste Spur, die Werner Faymann in seinem Heimatbezirk Liesing hinterließ, hat die Form einer Schlange. Oder eines großen S, wie SPÖ – je nach Standpunkt. Steht man oben, dort, wo die Brauereigründe den erdigen Bezirksteil Liesing vom noblen Bürgerviertel Maurer Berg trennen, kann man die Form der riesigen _s-förmigen Wohnhausanlage, die „Wien Süd" dort errichtet, durchaus für ein politisches Statement der Mehrheitsfraktion in der Bezirksvertretung halten. Schließlich regiert die SPÖ hier immer noch mit absoluter Mehrheit.

Natürlich hatten die Architekten Coop Himmelb(l)au mit den 600 supermodernen Wohnungen auf den ehemaligen Brauereigründen anderes als Politisches im Sinn: Die Anlage soll die Form des renaturierten Liesing-Baches nachempfinden. Dass man das im Bezirk gut fand, hat wiederum mit Faymann zu tun. Der hatte als Wiener Wohnbaustadtrat Ende der 90er-Jahre Architekten- und Bauträger-Wettbewerbe für den sozialen Wohnbau eingeführt.

Geübt in Harmonie

Liesing ist für Werner Faymann Heimat – politisch und privat. Von hier kommt er, aus dem südwestlichen Wiener Bezirk mit den vielen Gegensätzen. In Liesing breiten sich neben alten Gemeinde- und neuen Sozialbauten die Reihenhaus- und Bungalow-Siedlungen wie ein Fleckerlteppich aus, sodass man nie so genau weiß, ob man noch in Wien oder schon in Perchtoldsdorf oder Brunn am Gebirge ist (siehe Kasten). Hier kann man zum Beispiel lernen, wie man widerstrebende Interessen vereint und Harmonie erzeugt. Der junge Werner Faymann, so sagen seine Liesinger Genossen, habe beides schon in den 70er-Jahren gekonnt.

Faymanns Liesinger Bezirksgruppe der „Sozialistischen Jugend" (SJ) zeichnete damals drei Dinge aus: „Sie waren fleißig, engagiert und konnten sich benehmen", wie sich der ehemalige Wiener SPÖ-Zentralsekretär Günter Sallaberger erinnert. Man war damals vor allem friedensbewegt und für autonome Jugendzentren – und gegen den Papst. Als Johannes Paul II. 1983 Wien besuchte, organisierte der damals frisch bestellte Wiener SJ-Chef Faymann eine „Party gegen den Papst", erinnert sich ein ehemaliger Weggefährte aus der Parteijugend. Als Zentralsekretär Fritz Marsch aber deutlich gemacht habe, dass Parteichef und Bundeskanzler Fred Sinowatz über so viel weltliche Opposition gar nicht erfreut war, habe Faymann pragmatisch reagiert: „Alternativen zum Papst-Besuch" habe die Veranstaltung am Ende geheißen.

Gutes Benehmen

"Kritisch waren sie schon", erinnert sich Sallaberger, „aber sie haben immer den Kontakt zu mir und Leopold Gratz gesucht, und sie waren absolut paktfähig." Das gute Benehmen zahlte sich aus: Die „Jungen" haben mittlerweile Karriere gemacht. Die Zusammenarbeit von damals funktioniert heute noch gut, fleißig ist die „Liesinger Mafia", über die Josef Cap einst, laut profil, geätzt haben soll, allemal.

Wolfgang Jansky, damals Faymanns Sprecher, ist heute Geschäftsführer von Eva Dichands Gratiszeitung Heute. Janskys Lebensgefährtin Doris Bures folgte Faymann in Bezirksvertretung, Mietervereinigung, Bundespartei – und sie ist Faymanns Vize als Bezirksparteiobfrau von Liesing.
Der gebürtige Linzer Christian Deutsch, der in den frühen 80er-Jahren Faymanns SJ-Landessekretär in Wien war, schlug einen ähnlichen Weg ein: Wohnbaugenossenschaft Arwag, Funktionär in der Mietervereinigung, Bezirksrat. Heute ist er, wie Bures, Faymanns Stellvertreter in der Liesinger SPÖ. Nebenbei macht sich Deutsch gerade einen Namen als Speerspitze der SPÖ in der Untersuchungskommission des Wiener Gemeinderates zu den Vorkommnissen im Otto-Wagner-Spital. „Er ist höflich, aber inhaltlich ein Apparatschik und total unflexibel", schimpft die Gesundheitssprecherin der Wiener VP, Ingrid Korosec.


Freunde fürs Leben

Auch in der Liesinger Partei sei Deutsch der Mann, „der eigentlich Faymanns Job erledigt", sagt der grüne Bezirksrat Georg Irsa. Deutsch ist jedenfalls im monatlich erscheinenden Bezirksjournal sehr präsent – vorzugsweise als Vorsitzender der Volkshochschule Liesing oder als Geschäftsführer der Wohnservice-Wien Ges.m.b.H.

Der Liesinger Amtsschimmel wird jedenfalls am kurzen Zügel geführt – die Volkshochschule samt SPÖ-Zweigstelle und die Bezirksvorstehung stehen sich am linken Rand des Liesinger Platzes genau gegenüber. Da kann es schon einmal vorkommen, dass der SPÖ-Wirtschaftsverband seine Mitglieder zu einer Informationsveranstaltung zum Thema „Steuern sparen" lädt – und der Bezirksvorsteher danach das Buffet spendiert.

„Es gibt hier bemerkenswerte Personalverquickungen", klagt Irsa. Sein Kollege von der ÖVP, Thomas Arnoldner, spricht von „geschlossenen Kadern" in der SPÖ-Liesing: „Da fallen in Sitzungen schon mal uns gegenüber Zitate wie ,Politik muss Spaß machen, deswegen haben wir die Absolute‘." Die Bezirksopposition ärgert der „vordergründig konstruktive Stil, und hinten herum machen sie, was sie wollen" (Irsa). Etwa bei der Verbauung der Atzgersdorfer Friedhofsgründe, die eigentlich Grünland sind (der _Standard berichtete) oder bei der geplanten Umgestaltung des Liesinger Platzes: Ein Bürgerbeteiligungsverfahren sei vereinbart worden, dann habe die SPÖ eine geheime Ausschreibung veranstaltet. Erst durch den vereinten Druck der Opposition habe es doch noch eine Diskussion mit Anrainern gegeben. Dafür, ätzt ÖVP-Bezirksrat Arnoldner, „hat man schon den Eindruck, dass der soziale Wohnbau hier zu Faymanns Stadtrat-Zeiten besonders in Schwung kam".

Persönlicher Einsatz

Bezirksvorsteher Manfred Wurm (SPÖ) sieht die Dinge grundlegend anders als die Opposition. Er gibt gerne zu, dass „man mit dem Wohnbaustadtrat Faymann immer reden konnte, wenn es sich wo gespießt hat" – seine jetzige Präsenz als Bezirksparteiobmann beschränke sich auf Anwesenheit bei allen wichtigen Sitzungen. Wurm: „In Bezirksangelegenheiten hat er sich noch nie eingemischt." Dass Faymann-Vertraute auf alle wichtigen Stellen im Bezirk verteilt seien, empfindet Wurm als normal: „Jeder umgibt sich doch lieber mit Leuten, denen er hundertprozentig vertrauen kann."

Der Bezirkspolitiker preist den künftigen Parteichef für seinen „wunderbaren Umgang mit Menschen". Als ein alter Gemeindebau an der Breitenfurter Straße einzustürzen drohte, sei Faymann angereist und habe persönlich dafür gesorgt, dass die überwiegend älteren Bewohner „ohne gröbere Probleme" auf andere Gemeindebauten in Wien aufgeteilt wurden. Wurm: „Das war nicht unheikel, er hat das sehr gut gemacht."

An so viel geballte Präsenz des Bezirksbewohners Faymann können sich andere Bürger nicht erinnern. Der Besitzer des „Eiscafé Leonardo" im Wohnpark Alt-Erlaa, wenige hundert Meter von Faymanns Einfamilienhaus entfernt, sagt, er habe ihn und Bezirksvorsteher Wurm ab und zu „da sitzen gehabt". Und? „Faymann hat immer freundlich gelächelt." Dieses Lächeln wird in den nächsten Wochen wohl wieder öfter in Liesing zu sehen sein. Das glaubt zumindest der Vereinsobmann des Liesinger Marktes: „Im Wahlkampf kommen sie immer alle." Faymanns Vorteil: Seine Leute sind schon da. (Petra Stuiber/DER STANDARD Printausgabe 7.8.2008)