Levi's

Sie ist der Klassiker unter den Jeans: Jetzt will Levi's seine 501 auch wieder mit Coolness aufladen. Dabei setzt man auf schmächtige Bubenkörper.

Für den einfachen Look gehen Designer verschlungene Wege, erfuhr Romy Uebel.

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Der Grundtenor auf der Bread&Butter, der größten europäischen Jeans- und Streetwear-Messe, die Anfang Juli knapp 90.000 Branchenprofis nach Barcelona zog, war unisono: Der Look 2009 wird schlichter, aufgeräumter, authentischer. Totgewaschene, zerfetzte Jeans gehören ebenso in die Altkleidersammlung wie ein Übermaß an Glamour und Pomp. Die Tage, in denen sogenannte Celebrity-Jeans mit Glitzersteinchen und Applikationen von L. A. Marken wie Seven for All Mankind oder True Religion für mehrere hundert Euro über die Ladentische gingen, sind gezählt.

Gut lachen haben beim neuen Trend zum Alten einmal wieder all jene, die auf Tradition verweisen können. Bei Levi's etwa setzt man ab September auf die Wiederbelebung der legendären 501. You Nguyen, Senior-Vizepräsident, weiß: "Der klare, reduzierte Look ist im Kommen. Eine klassische 501 in dezenter Waschung, dazu ein schlichtes T-Shirt - fertig!" Nicola Formichetti vom Londoner Magazin Dazed&Confused übernahm das Kampagnenstyling - sein Trick: keine Tricks. Er verließ sich ganz auf die Strahlkraft der Mutter aller Jeans und zeigt sie an einem schmalen Bubenkörper.

Im Trend sind sogenannte Finishes

"Modern" bedeutet derzeit im Denimsegment: besondere Waschungen und sogenannte Finishes, also Ausstattungen, Abnutzungen oder Beschichtungen. Sie machen den Zeitgeist aus, nicht die Silhouetten. Seit mehreren Saisonen stehen hautenge Röhrenjeans gleichberechtigt neben geraden Formen, Seventies-Schlaghosen-Modelle setzten sich systematisch durch, und auch weite Marlene-Hosen und Overalls finden sich mittlerweile nahezu bei jedem Anbieter.

Wichtigstes Verkaufsargument und ausschlaggebend für den Preis ist die Qualität der Baumwollware selbst und das, was die Designer aus ihr machen. Neben sogenannten Raw-Waren, also ungewaschenen Stoffen, die selbst eingetragen werden, dominieren sanft gewaschene Used-Optiken, je ungekünstelter und exklusiver diese daherkommen, umso besser. Zum Beispiel bei Wrangler: Retro ist out, lieber setzt man auf kräftige Farben und klare Schnitte, Lifestyle-Schnickschnack überlässt man anderen. Reduktion ist das Schlagwort.

Vom Wunsch nach Individualität profitieren Nischen-Brands am meisten. Eigenschaften wie "Authentizität" und "Glaubwürdigkeit" nimmt man ihnen am ehesten ab. Der schwedische Neuzugang "Denim Demon" etwa setzt bei der Veredelung auf einen Mix von Bodenständigkeit und Verrücktheit. Ihre lappländische Herkunft ist Kollektionsdreh- und -angelpunkt der Markengründer Oskar und Anton Olsson. Und so baten sie die Ureinwohner, die Samen, ihre Hosen sechs Monate nonstop zu tragen, die tatsächlich "authentischen" Abnutzungen wurden später in Serie reproduziert.

"Pete Bonhomme" nach uralter Vorlage

Die Firma Lee launchte kürzlich das Modell "Pete Bonhomme", dessen uralte Vorlage in der Scheune des gleichnamigen Orangenplantagenbesitzers gefunden wurde. Heute erzählt ein orangefarbenes Papier in der Hosentasche die Geschichte des Ursprungs von Ausbleichungen und Gebrauchsspuren.

Entwicklungen wie diese beweisen: Nachdem beinahe jeder Jeans trägt, ist Distinktion ein unabdingbares Mittel zum Erfolg. Das schwedische Label Acne arbeitet neuerdings etwa mit dem französischen Luxuslabel Lanvin zusammen. Distinktion ist auch das Rezept von Karl-Heinz Müller, der in Berlin gerade sein exklusives "14oz."-Geschäft eröffnete. Bereits der Name der 600 Quadratmeter großen Boutique macht klar: Hier dreht sich alles um den blauen Stoff, denn 14 Unzen, kurz oz., sind die Maßeinheit für Denim. Für Müller, selbst passionierter Sammler alter Modelle und wahrer Connaisseur, sind Jeans längst mehr als nur Hosen, sie sind höhere Philosophie und wert, ihnen ein ganzes Reich zu widmen. Neben handgenähten Hosen aus wertvoller japanischer Ware von Firmen wie "PRPS" oder "Ernest Sewn" finden sich hier Einzelanfertigungen des provenzalischen "Atelier La Durance" oder zu 100 Prozent nachhaltige Jeans des holländischen Öko-Labels Kuyichi.

Eines der Highlights im "14oz." und derzeit wohl die Spitze in Sachen Denim-Experiment sind die Entwürfe von Kohzo. Shauket Imam, Kopf dieser Schweizer Marke, ertüftelt in monatelangen Prozessen Jeans aus Ananas-, Bohnen- oder Cannabisfasern, beschichtet sie einmal mit Schlamm, einmal mit 18-karätigem Gold - der Clou, jeder Arbeitsgang ist absolut umweltfreundlich, Kohzo färbt mit natürlichen Rohstoffen, getrocknet wird an der freien Luft.

Demokratisches Kleidungsstück

Trotz solcher Neuerungen hat sich an den prinzipiellen Eigenschaften der guten alten Jeans aber nicht viel geändert: Sie gelten noch immer als demokratischstes Kleidungsstück. Nach aktuellen Schätzungen besitzen fast 70 Prozent der Weltbevölkerung mindestens ein Paar der blauen Nietenhosen. Und daran wird sich auch so schnell nichts ändern.(Der Standard/rondo/08/08/2008)