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Evo Morales will klare Verhältnisse schaffen.

Foto: Reuters/Marisela Murcia

LaPaz/Wien - Für Sonntag hat Boliviens Präsident Evo Morales eine Abstimmung über seinen Verbleib im Amt angesetzt. Gleichzeitig sollen solche "Absetzungsreferenden" auch über acht Provinzgouverneure stattfinden. Der 50-jährige Staatschef, Boliviens erster aus der indigenen Bevölkerung, will damit nach Monaten heftiger politischer Auseinandersetzungen klare Verhältnisse schaffen.

In den Tagen vor dem Plebiszit nahmen die Spannungen allerdings zu. In Caihuasi, 260 Kilometer südlich von La Paz, streiken tausende Arbeiter einer Zinnmine. Bei Zusammenstößen von Streikenden und Ordnungskräften gab es zwei Tote und 36 Verletzte.
In der südlichen Provinz Tarija verhinderten empörte Demonstranten sogar ein Gipfeltreffen mit den Präsidenten Venezuelas und Argentiniens, Hugo Chávez und Cristina Fernández, das Morales diese Woche dort abhalten wollte.

Im Juni hatte die Bevölkerung von Tarija, wo sich ein Großteil des bolivianischen Erdgases befindet, in einem eigenmächtig angesetzten Referendum wirtschaftliche Autonomie beansprucht. Es war das letzte einer Reihe regionaler Referenden, mit der die auf Boliviens Landkarte einen Halbmond bildenden östlichen Provinzen gegen die Politik der Regierung auftraten. Sie wollen ihren relativen Wohlstand nicht mit den armen Anden-Provinzen im Westen teilen. Zuvor hatten das reiche Santa Cruz sowie die Provinzen Beni und Pando die Autonomie und Verfügung über die Bodenschätze verlangt. Die spanische Zeitung El País erinnerte dies an die Auseinanderentwicklung Österreich-Ungarns im 19. Jahrhundert.

Mit der Idee, sich selbst und die Gouverneure zur Abwahl freizugeben, hoffte Morales, diese Entwicklung stoppen zu können. Der armen und indigenen Bevölkerungsmehrheit Boliviens legte er im Wahlkampf "zwei Regierungsmodelle auf den Tisch: das auf der Verstaatlichung der Bodenschätze basierende, die allen zugute kommen sollen - und das neoliberale" der Gouverneure, in Bolivien "Präfekten" .

Als wäre der Ärger nicht schon groß genug, erklärte die Höchstrichterin Silvia Salame Morales' Abstimmungen für verfassungswidrig, solange ihre vier zurückgetretenen Kollegen im Höchstgericht nicht ersetzt worden sind. Die oberste Wahlbehörde verlangte zudem, die Regeln der Abstimmung zu ändern. Morales, der Ende 2005 mit 53,7 Prozent der Stimmen gewählt wurde, hatte seinen Rücktritt versprochen, wenn nun ein höherer Wähleranteil gegen ihn stimmt. 46,3 Prozent Ja-Stimmen würden ihm also genügen, während für die Präfekten bis zu 60 verlangt worden wären.

Morales bezeichnete die Wahlabsage der Höchstrichterin als Kompetenzüberschreitung ohne Folgen. Der Wahlbehörde sagte er aber zu, dass die Präfekten nur mehr als 50 Prozent Ja-Stimmen zum Überleben brauchen (was die meisten erreichen sollten). Die Zustimmung zu Morales lag zuletzt in Umfragen bei 59 Prozent. (Erhard Stackl/DER STANDARD, Printausgabe, 8.8.2008)