Wien - Bereits am Vorabend des Eröffnungstages der Olympischen Spiele in Peking haben die tibetischen Vereine in Österreich mit Protestaktionen begonnen. Im Rahmen der weltweiten Aktion "Candle 4 Tibet" (Kerze für Tibet) entzündeten Exiltibeter und Unterstützer des tibetischen Volkes am Stock-im-Eisen-Platz Fackeln und Kerzen. Mit einem Lichterzug durch die Stadt bekundeten rund 150 Teilnehmer ihre Solidarität zu Tibet.
"Mögen Millionen von Kerzen ihr Licht, verbunden mit unseren Wünschen und Gedanken, nach Tibet senden" lautete das Motto am Donnerstagabend. Um 21.00 Uhr versammelten sich Mitglieder der Vereine "Save Tibet" und die "Tibeter Gemeinschaft Österreich" in der Wiener Innenstadt, sowohl Exiltibeter als auch Österreicher. Ausgerüstet mit bunten Fahnen in den Nationalfarben Tibets, Bannern und vielen Kerzen und Lichtern erregten sie sofort die Aufmerksamkeit der Passanten. Für Stimmung sorgten Artisten und tibetische Gesänge.
Unerträgliches Level
"Unser Hauptanliegen ist die Situation der Tibeter in China", sagte Julia Pfann, eine der Organisatorinnen der Aktion von "Save Tibet". Die Menschenrechte in der Volksrepublik seien auf einem unerträglichen Level. "Die Tibeter haben ein Recht auf ihre Religion und ihre Kultur", so die 31-Jährige weiter. Es gehe hier nicht um einen Boykott der Olympischen Spiele, betonte Pfann. Sie selbst sei Bogenschießerin und verstehe, dass die Sportlerinnen und Sportler hart für die Bewerbe trainieren. Allerdings dürften Sport und Politik nicht getrennt voneinander betrachtet werden.
"Wir sind nicht gegen Olympia sondern gegen die Doppelmoral", sagte auch ihr tibetischer Begleiter, der unerkannt bleiben wollte. Olympia signalisiere Frieden und Entwicklung, doch mit der jetzigen Situation würde das nicht zusammenpassen. "Dies hier ist eine Demonstration gegen die chinesische Regierung, nicht gegen das Volk!", betonte der 34-Jährige. Die chinesische Regierung sei ohne Gnade, das ganze Land gleiche einem Gefängnis. Er selbst sei in jungen Jahren aus seiner Heimat geflohen, seine Familie lebe immer noch dort. Kontakt könne aber nur sehr wenig zu ihr halten. Seit 2002 sei er in Österreich und versuche jede Veranstaltung zur Unterstützung der Tibeter mitzumachen. "Eben auch wegen meiner Familie."
Boykott der Olympischen Spiele
Kundgebungsteilnehmerin Isabella Priewalder, die ganz in eine tibetische Fahne gehüllt, Passanten zum Mitgehen überreden versuchte, meinte dagegen, sie sei absolut für einen Boykott der Olympischen Spiele. "Die Welt muss aufhören, diesen Schwachsinn mitzumachen!" Alle lägen auf dem Bauch und ließen sich von China zum Narren halten, so die Teilnehmerin weiter. Dabei gingen die Säuberungsaktionen in den Klöstern weiter und die Situation der Tibeter und anderer Völker, aber auch der Chinesen selbst sei schlimmer denn je. Priewalder selbst war schon einige Male in Tibet, seitdem engagiert sie sich aktiv. "Wir müssen reagieren!", rief sie auf.
Nach einem Aufruf von Tseten Zöchbauer, der Vorsitzenden des Vereins "Tibeter Gemeinschaft Österreich" bewegte sich der Demonstrationszug über zur chinesischen Botschaft in der Metternichgasse in Wien-Landstraße. Sie freue sich, dass sich angesichts der Olympischen Spiele so viele Menschen über die Tibeter Gedanken machten, so Zöchbauer. Sie appellierte, am morgigen Freitag der Eröffnungszeremonie in keiner Weise zu folgen: "Alle feiern, wo es doch nichts zu feiern gibt."
"Vergeben, aber nicht vergessen"
Die laut Polizeiangaben etwa 150 bis 200 Teilnehmer sangen tibetische Lieder, die traditionellerweise Segens- oder Glückwünsche ausdrücken. "Die Tibeter glauben, dass durch das Singen diese Glückwünsche weitergegeben werden können!", erklärte die Mitorganisatorin Pfann.
Trotz Regens haben sich am Freitagvormittag an die 50 Demonstranten vor der chinesischen Botschaft in Wien-Landstraße versammelt, um eine Mahnwache namens "Prayer for Peace" abzuhalten. Veranstaltet von der Tibeter Gemeinschaft Österreichs (TGÖ), stand als zentrale Aussage stand eine Grußbotschaft des Dalai Lama, die von der Präsidentin der TGÖ, Tseten Zöchbauer, verlesen wurde.
Mit Transparenten, Räucherstäbchen und einem Bild des Dalai Lama ausgestattet, hielten die Demonstranten eine Mahnwache mit Gesang und Gebeten vor der Botschaft Chinas ab. Botschaftsmitarbeiter filmten über die gesamte Dauer der Demonstration.
Als Hauptteil der Veranstaltung verlas Zöchbauer eine Grußbotschaft des Dalai Lama. Er "unterstütze" die Spiele in Peking und wünschte China Erfolg bei der Ausführung. Für die Präsidentin des TGÖ seien die am Freitag stattfindenden Feierlichkeiten zur Eröffnung der Spiele jedoch "unverständlich", wegen der Geschehnisse in Tibet. Im Anschluss an die Botschaft kam es zu minutenlangen "Free Tibet" und "Long live Dalai Lama"-Rufen. "Wir können vergeben," meinte Zöchbauer, "aber nicht vergessen." (APA)