Das unfassbare Inzestverbrechen von Josef F., der seine Tochter Elisabeth 24 Jahre lang in einem Geheimverlies im Keller eingesperrt und vergewaltigt haben soll, schockiert Österreich und die Welt. Wie seit Sonntag Stück für Stück bekanntgeworden ist, soll die Frau insgesamt sieben Kinder geboren haben, von denen eines starb und mutmaßlich von F. verbrannt wurde. Für drei der Zöglinge erfindet der Mann eine perfide Geschichte: Er zwingt seine Tochter Briefe zu schreiben, in denen sie ihren Eltern ankündigt, ein Kind bei ihnen abzulegen, das sie bitte aufnehmen mögen. Die drei anderen Kinder, von denen das älteste mutmaßlich 19 Jahre alt ist (ein genaues Datum ist nicht bekannt), wachsen unterirdisch eingesperrt auf, ohne jemals Sonnenlicht gesehen zu haben. Im folgenden ein Überblick über die Ereignisse, seit der Fall ins Rollen gekommen ist:

19. April: Eine 19-Jährige wird von ihrem Großvater bewusstlos und mit schweren Krämpfen in die Klinik Amstetten eingeliefert. Er gibt an, das Mädchen sei - wie schon andere seiner Enkel - von ihrer Mutter mit der Bitte, sich um sie zu kümmern, bei den Großeltern abgelegt worden. Ihr kritischer Gesundheitszustand gibt den Ärzten Rätsel auf. Das Mädchen leidet an einer mysteriösen Krankheit, weshalb die Mediziner dringend die Mutter zurate ziehen wollen.

21. April: Wegen des unverändert kritischen Zustands des Mädchens, das im künstlichen Tiefschlaf liegt, veröffentlicht die Polizei einen Suchaufruf, der auch über das ORF-Fernsehen ausgestrahlt wird. Das ist der Auslöser für eine spektakuläre Wende in dem Fall: Die gefangene Elisabeth F. verfolgt den Aufruf in ihrem Verlies und appelliert an ihren Vater und Peiniger, zum Krankenhaus gehen zu dürfen. Der 73-Jährige gibt schließlich nach.

22. April: Das Landeskriminalamt übernimmt die Ermittlungen zum Fall des erkrankten Mädchens. Von Kindern und Großeltern werden Mundhöhlenabstriche genommen, außerdem werden Rufdatenrückerfassungen durchgeführt.

26. April: Josef F. und seine Tochter begeben sich zum Krankenhaus Amstetten. Nach einem vertraulichen Hinweis greift die Polizei die beiden nahe der Klinik auf. Die Beamten verhören zunächst die 42-Jährige, weil sie wegen des Delikts der Kindesweglegung unter Verdacht steht. Die Frau macht bei ihrer Befragung einen äußerst verstörten psychischen und einen auffälligen physischen Eindruck. Schnell kristallisiert sich die grauenerregende Wahrheit heraus: Unter der Zusicherung, von ihrem Vater abgeschirmt zu werden, erzählt die Frau den Ermittlern die Geschichte ihrer Gefangenschaft.

27. April, Vormittag: Der Fall wird in den Medien bekannt. Am Vormittag berichtet der ORF-Niederösterreich vom unglaublichen Verdacht gegen den 73-Jährigen. Gegen Mittag bestätigen die Behörden den Fall schließlich. Der Täter schweigt zunächst. Die Kriminalisten suchen nach dem raffiniert versteckten Zugang zum Verlies.

27. April, Nachmittag: Josef F. bricht erstmals sein Schweigen. Er schildert den Kriminalisten, wie der elektronische Schließmechanismus des unterirdischen Gefängnisses funktioniert. Die 300 Kilogramm schwere Brandschutztüre ist hinter einem Regal verborgen, die Kombination wird über Funk eingegeben. Am Abend wird das Verlies erstmals geöffnet. Die Kriminalisten stoßen auf mehrere Räume, die teilweise nur 1,70 Meter hoch sind und mit schmalen Durchlässen verbunden sind. Insgesamt weist das Gefängnis, in dem die Frau mit drei Kindern gefangen gehalten wird, eine Größe von rund 60 Quadratmetern auf.

28. April: Nach nächtlicher Pause wird in der Früh das Geheimverlies von der Polizei weiter durchsucht. Josef F., der am Nachmittag an die Justizanstalt St. Pölten überstellt wird, beginnt, ein erstes Geständnis abzulegen. Der Fall ist im "Großen und Ganzen" geklärt, teilt Chefermittler Franz Polzer am Nachmittag der Presse mit. Demnach haben auch Ehefrau und Familie von Josef F. nichts von dem geheimen Treiben des Mannes gewusst: "Er hat einfach alle getäuscht." Der Fall sorgt für weltweites Entsetzen, hunderte Reporter aus aller Welt und zahllose TV-Übertragungswagen überrennen Amstetten förmlich. Der Wirtschaftsanwalt Christoph Herbst wird auf Betreiben von Landeshauptmann Erwin Pröll (V) zum Opferanwalt der Familie ernannt.

29. April: Die Ergebnisse von DNA-Untersuchungen belegen, dass alle sechs Kinder von Elisabeth F. von ihrem Vater stammen. Außerdem wird anhand von Spuren an einem Brief nachvollzogen, dass dieser vom Verdächtigen selbst angefertigt wurde. Über Josef F., der vor der Haftrichterin zu keiner Aussage bereit ist, wird die U-Haft verhängt. Experten des Bundeskriminalamtes sollen untersuchen, ob und wie F. die 300 Kilogramm schwere Stahltür zum Verlies allein hat einbauen können. Der Zustand von Elisabeth F. und ihrer Kinder wird als "relativ gut" beschrieben. Kritisch ist allerdings nach wie vor jener der mutmaßlichen 19-jährigen Tochter, die im Krankenhaus Amstetten im künstlichen Tiefschlaf liegt. Am Abend bringt die Amstettner Bevölkerung ihre Betroffenheit öffentlich zum Ausdruck: Mehr als 200 Personen nehmen an einem Lichtermeer am Hauptplatz teil.

30. April: Wie sich herausstellt, hat im Keller des Hauses im Jahr 1999 die letzte Feuerbeschau stattgefunden. Dabei wurde laut einem Gemeindevertreter ein Kessel in einem "eigenen, abgeschlossenen" Heizraum kontrolliert. Verlies und Opfer bleiben unentdeckt. Ein Zusammenhang mit einem Sexualmord aus dem Jahr 1986 in Oberösterreich wird routinemäßig überprüft. Natascha Kampusch spendet für die Opfer des Inzest-Falls 25.000 Euro und richtet ein Spendenkonto ein. Auf Anraten seines Anwalts schweigt der mutmaßliche Täter. (APA)