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Im Bann des Sonnenkreises von Sarastro (Georg Zeppenfeld). Später wird sich Pamina (Diana Damrau) gegen ihn auflehnen.

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Wien - Sie kam, sang und siegte: Überall, wo Diana Damrau in den letzten zehn Jahren auftauchte, wurden ihre Auftritte zum schlagartigen Triumph. Besonders mit der Königin der Nacht und der kaum minder halsbrecherischen Zerbinetta in Strauss' Ariadne auf Naxos legte sie die Latte für alle, die sich in nächster Zeit in diesen Partien versuchen werden, denkbar hoch. Aber etwa auch die "Kleine Frau" in Cerhas Oper Der Riese vom Steinfeld verwandelte die deutsche Sopranistin bei der Staatsopern-Uraufführung in ein Juwel, oder sie glänzte letzten Sommer als Susanna in Salzburg - eine Rolle, mit der sie vor zwei Jahren auch an der Mailänder Scala reüssiert hatte.

Dass sie vor kurzem in derselben Aufführungsserie von Mozarts Zauberflöte an der New Yorker Met zum letzten Mal die Königin der Nacht gestaltete und auch als Pamina debütierte, deutet nicht nur einen Wandel ihrer Stimme an, sondern zeigt auch deren Vielseitigkeit im Charakter: Schon immer war sie während aller Koloraturen und Dramatik zu lyrischer Zartheit und flexibler Farbgebung fähig.

Ebenso selbstverständlich deckt Damrau, die seit einem Jahr Bayerische Kammersängerin ist, auch das französische und italienische Repertoire mühelos ab. So vertritt sie im Herbst Anna Netrebko als Lucia di Lammermoor in Donizettis gleichnamiger Oper ebenfalls an der Met, wofür sie sich eingehend mit bipolaren Störungen und Schizophrenie auseinandergesetzt hat, um das Krankheitsbild Lucias besser zu verstehen.

Scheinbare Schlichtheit

Aber auch mit der Psychologie scheinbar schlichterer Gestalten befasst sie sich genau. Über ihre aktuelle Figur sagt sie: "Für mich ist Pamina ein junges Mädchen, das sich im Strudel des Lebens behaupten muss, das immer noch kindlich ist, mit einer entsprechenden Vorstellung von der Liebe." Doch dann entwickle sie sich, wenn sie "als Mensch wächst, ihre Prüfungen durchläuft und zu einer integren Persönlichkeit wird. Was sie in hohem Maß besitzt, ist ein tiefes Urwissen: Sie wird gelenkt von der Liebe, die sie sich nicht nehmen lässt, die ihr die Kraft gibt, sich gegen Sarastro aufzulehnen, aber auch gegen ihre Mutter."

Gerne stellt Damrau Parallelen zu anderen Operngestalten her, etwa zur bedingungslos liebenden Gilda in Verdis Rigoletto, als die sie im Juli an der Dresdner Semperoper Standing Ovations geerntet hat. Und soeben ist sie aus München zurückgekehrt, wo sie ihre Paraderolle Zerbinetta gab - "in einer echten Theater-Inszenierung, die zeigt, wie es in den Figuren drinnen aussieht".

Damit ist der unabdingbare schauspielerische Teil der Oper angesprochen, was in Erinnerung ruft, wie rückhaltlos überzeugend die Sängerin auch in kontroversiellen Inszenierungen agiert: "Wenn ich auf der Bühne stehe, muss ich voll dahinterstehen. Jeder geht natürlich mit anderen Erwartungen in die Aufführungen. Viele wollen nur das sehen, was sie aus ihrer Erfahrung kennen - und es immer wieder serviert bekommen."

Zwar sei sie "keine Verfechterin des militanten Regietheaters. Manche Stücke kann man nicht aus dem Kontext reißen, zum Beispiel die Traviata, weil eine Kurtisane mit einer jetzigen Nutte überhaupt nicht zu vergleichen ist und sich die Rolle der Frau in der Gesellschaft grundlegend geändert hat. Aber nicht alles, was früher war, ist es wert, verherrlicht zu werden. Theater muss spannend bleiben, die Zuschauer bewegen, auch mit Mut zur Hässlichkeit."

Als spannend schildert die Sängerin auch die Arbeit mit Regisseur Achim Freyer, mit dem es bereits die dritte gemeinsame Zauberflöte ist: "Die Produktion kommt ja aus Schwetzingen und Dresden. Freyer hat sich aber die Mühe gemacht, das wirklich alles mit uns nochmals neu zu erarbeiten. Und da er ein unglaublich kreativer Mensch ist, fällt ihm tatsächlich immer noch etwas Neues ein."

Augenzwinkernd wissend

Die Inszenierung beschreibt Damrau als "bunt, naiv, verschmitzt und augenzwinkernd - und mit einem ganz großen Wissen dahinter, mit dem er das Schwarz-Weiße der Charaktere bricht."

Die Genauigkeit, mit der die Künstlerin arbeitet, will sie auch als Gegenentwurf zu kommunikativen Mustern des Informationszeitalters verstehen: "Wir kommunizieren unglaublich viel und schnell, schreiben ,XOX‘, ,LG‘ und ,VLG‘, verschicken Smileys. Man überlegt nicht mehr, wie man etwas passend und angemessen sagt, wenn man jemandem etwas Besonderes mitteilen will, und welche Möglichkeiten unsere Sprache hat. Deswegen habe ich auch das Lied so gerne."

Auf diesem Gebiet konzertiert Damrau nicht nur mit Pianisten, sondern auch mit dem Harfenisten der Wiener Philharmoniker, Xavier de Maistre, mit dem sie gerade eine Reihe von Debussy-Liedern eingespielt hat und an dessen Seite sie im Oktober auch in Graz auftritt.

Bis dahin ist auch bei Virgin Classics, wo die Sängerin einen Exklusivvertrag unterschrieben hat, das Erscheinen ihrer neuen reinen Mozart-CD mit dem Titel "Donna" geplant. Selbstredend geht es darin um Frauenfiguren, die unter anderem mit Arien der Donna Anna und der Donna Elvira aus dem Don Giovanni oder der Konstanze und Blonde aus der Entführung vertreten sind. Damrau: "Mozart hatte ein unglaubliches Gespür für das Innenleben seiner Frauengestalten. Ich wollte die ganze Bandbreite davon zeigen, von der lyrischen Seite bis zur großen Koloratur-Arie, Seelenzustände von ganz unterschiedlichen Personen. Jeder einzelnen schaut er mit der Lupe in die Seele." (Daniel Ender, DER STANDARD/Printausgabe, 09./10.08.2008)