"Einen besseren Start hätte sich der neue SPÖ-Chef Werner Faymann nicht wünschen können" . Schreibt "Österreich" am Tag der Wahl Faymanns. Und: "Erklärbar ist dieses sensationelle Ergebnis mit einem fulminanten Wahlkampfstart von SPÖ-Chef Werner Faymann" . Und übers Wasser gehen und Aussätzige durch Handauflegen heilen kann er vermutlich auch.

Aber was ist eigentlich dieses "sensationelle Ergebnis"? Die SPÖ ist laut einer Gallup-Umfrage "erstmals wieder gleichauf mit der ÖVP!". Wahnsinn! Jetzt ist alles wieder gut. Die SPÖ liegt dank FF (des "fulminanten Faymann") gleichauf mit der ÖVP bei 26 Prozent!

Äh, wie? 26 Prozent? Vor ein paar Monaten waren die Umfragen noch so, dass beide Regierungsparteien über 30 Prozent lagen, die ÖVP allerdings tatsächlich zwei, drei Prozentpunkte vorn. Die wahre Nachricht ist demnach, dass beide, SPÖ wie ÖVP, katastrophal abgestürzt sind. Von einem Erfolg Faymanns wird man erst sprechen können, wenn es ihm gelingen sollte, die Partei dauerhaft wieder über 30 Prozent zu ziehen.
Gut, Österreich hat, wie die Krone, seine eigene Faymann-Agenda, und die wird durchgezogen, komme was wolle. Die (Hinter-)Gründe dafür werden noch zu analysieren sein.

Das wahre Thema ist der gemeinsame Absturz der "Groß" -Parteien innerhalb weniger Wochen oder Monate. Sie haben eine hervorragende Ausgangsposition - Hochkonjunktur, stark angestiegene Beschäftigung - total vernudelt.

Fast drei Viertel der Bevölkerung sind nach einer neuen Umfrage der Überzeugung, dass es ihnen finanziell schlechter als vor einem Jahr geht. Die Ursachen dafür liegen im Preisauftrieb, auch dem staatlich geförderten, und dem Lohndruck durch die Globalisierung.

SPÖ und ÖVP haben nicht einmal versucht, dem gegenzusteuern. Die Maßnahmen wären gewesen: Eine scharfe Kostenkontrolle im öffentlichen, "geschützten" Bereich; bessere Rahmenbedingungen für stärkeren Wettbewerb im Inland, unter anderem im Handel. Zurückhaltung bei der Erhöhung der Gebühren und Abgaben, im Bund und vor allem bei den Ländern. Schließlich massive Investitionen in die Bildung und Forschung, um aus den einfacheren Produktionen aussteigen zu können, die ohnehin in Billiglohnländer abwandern.
Unsere aktuelle Politik beschäftigt sich aber nicht mit solchen strategischen Fragen, sondern mehr und mehr damit, wie man in den Nichtswisser-Medien gut vorkommt.

Nichts zu wissen und darauf auch noch stolz sein ist zu einer politisch-gesellschaftlichen Kategorie geworden. Aggressive Dummheit verbindet sich dabei mit dem Glauben, dass es auf alles einfache, "starke" Lösungen gibt. Das war bisher die Domäne der rechtsextremen und der populistischen "Rebellen", aber deren Inhalte wurden zu einem beträchtlichen Teil auch von SPÖ und ÖVP übernommen (siehe Ausländerpolitik).

Im Grunde versagt die gesamte politische Klasse. SPÖ und ÖVP bekommen es nur besonders zu spüren. Das ist demokratiegefährdend und zukunftsgefährdend. (Hans Rauscher/DER STANDARD, Printausgabe, 9.8.2008)