Faymann gewählt, Olympiade eröffnet, das war vielleicht ein Freitag! Glücklicherweise waren wir medial auf beide Ereignisse gut vorbereitet. So wurde in der "Presse" nicht nur auf die Existenz von Zensur in China hingewiesen, sondern auch auf deren verblüffende Reichweite, und das im Zusammenhang mit einem Problem, das eingeborenen Österreichern unter den Nägeln brennt: dem Umgang eines alten Kulturvolkes mit der neuen Rechtschreibung. Immerhin kennen wir die Situation ja aus so gut wie allen China-Restaurants des Landes (und darüber hinaus), schrieb da ein Kolumnist. Auch hier schlägt die Zensur regelmäßig zu. Dann nämlich, wenn eine Speisekarte sich an einen Bereich annähert, der zumindest ansatzweise als korrekte deutsche Sprache durchgehen könnte.

Die kulinarische Weitgereistheit eines Autors, der so gut wie alle China-Restaurants des Landes (und darüber hinaus) stäbchenweise abgeklappert haben muss, um die dort herrschende Situation kennenzulernen, mag man bewundern, eine gewisse Enge des Horizonts weniger. Dass ein Bereich einfach als korrekte deutsche Sprache durchgehen könnte, ist, zumindest ansatzweise, eine seltsame Vorstellung, und sie verliert nichts von ihrer Seltsamkeit, wenn sich dann auch noch eine Speisekarte an einen Bereich annähert.

Gut, verstanden, der Mann hat es mit der Ironie. Taucht in einem China-Restaurant eine korrekte Speisekarte auf, klingeln in Peking die Alarmglocken. Zumindest ansatzweise korrekte deutsche Sprache ausgerechnet auf Speisekarten chinesischer Lokale zu verlangen, ohne nicht die Speisekarten anderer Nationalitäten, insbesondere auch so manche österreichische, vor dieselbe Herausforderung zu stellen - das kann nur mit der Olympiade zusammenhängen, zeugt aber nicht von olympischem Geist. Wir nehmen zur Kenntnis: Der große Bruder wacht auch über knuspriger Huhn. Zweckmäßiger wäre es, er würde über einen weniger knusprigen Kolumnisten wachen, der chinesische Gastronomen in Österreich gleich wieder die erforderliche Anzahl an Makeln einbauen lassen will, was als Tätigkeit im Immobilienbereich, aber nicht einmal ansatzweise als korrekte deutsche Sprache durchgehen kann.

Der Erfolg der "Kronen Zeitung", am Express-Parteitag der SPÖ Werner Faymann durchgebracht zu haben, wird durch das Fehlen eines Gegenkandidaten nur leicht getrübt. Das Blatt hat sich in der Woche vor dem Ereignis nicht lumpen lassen. Da durfte ein Leser prophezeien: Faymann zieht davon! Und gleich darauf ein anderer klarstellen: "Warum Faymann? Man braucht eine starke Regierung, um das Segelschiff Österreich wieder auf den richtigen Kurs zu bringen!"

Am Sonntag gelang es Marga Swoboda, in einer ergreifenden Reportage klarzumachen, was ihr Chef an Faymann findet: Das kann nicht einmal ein Chamäleon. Und: Sie jubeln nicht, als Faymann die Bühne betritt. Aber als er abtritt, stehen sie alle auf: Eine Gänsehaut möchte aufkriechen in der überhitzten Halle. Die alte "Prawda" - nichts dagegen.

Auch andere profitierten vom Faymann-Wunder in der "Krone". Inzwischen ist auch Laura Rudas da, die junge Rote im Team Faymann, die sich zur ungezähmten Haltung ausdrücklich ermuntert fühlen darf. Warum nicht ungezähmt, wenn die Obrigkeit dazu ausdrücklich ermuntert? Und ein Linzer Leser fand: Das Interview mit Doris Bures hat mich wirklich überrascht, obwohl ich sie bislang eher kritisch gesehen habe. Das Foto daneben dürfte sogar die Ex- und Neo-Bundesgeschäftsführerin überrascht haben, auch wenn sie sich bisher eher weniger kritisch gesehen haben sollte.

Die Post von Jeannée vom Donnerstag an den lieben Werner Faymann sorgte dann für klare Fronten. Den Meuchlern aus Ihren eigenen roten Reihen, die Ihnen dringend raten, der "wachsenden Skepsis der BürgerInnen gegenüber nationaler und europäischer Politik nicht mit einem Aufspringen auf den populistischen Zug, mit einer Abkehr von Europa, zu begegnen - Glück auf, Werner Faymann, und zeigen Sie 's denen, aber ordentlich. Denn wenn einmal jemand die würdelose Anbiederung führender Funktionäre an die "Kronen Zeitung" anprangert, dann heißt es ausrücken zur Rettung einer Funktionärswürde, die der "Krone" sonst eher irgendwo vorbei, und einer Onkelwürde, die ihr über alles geht.

Da war der Jubel in "Österreich" vom vorigen Freitag - ÖVP hält den Vorsprung, aber alle lieben Faymann und Faymann wird zur Sympathie-Lokomotive - ein fast zu früh aufgetauter Posthornton. (Günter Traxler/DER STANDARD; Printausgabe, 9./10.8.2008)