Der Russland-Experte Gerhard Mangott ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Innsbruck.

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Auch wenn die militärische Lage in Südossetien unübersichtlich ist, lassen sich doch erste Bewertungen vornehmen: Die militärische Eskalation ist ausschließlich in georgischem Interesse. Russlands strategische Ziele waren auf die Bewahrung des Status quo ausgerichtet. Insofern ist davon auszugehen, dass die militärische Eskalation in der vergangenen Nacht auf georgische Initiative zurückgeht.

Georgiens Präsident Saakashvili hat als strategisches Ziel der Militäroperation die "Wiederherstellung der Verfassungsordnung" erklärt. Insofern kann die georgische Seite ihre militärischen Handlungen nur unter Gesichtsverlust Saakashvilis einstellen, bevor dieses Ziel erreicht ist. Russland hat(te) in der gegenwärtigen Eskalationsstufe keine andere Wahl als militärisch gegen die georgischen Einheiten vorzugehen. Die von Militärberatern der USA trainierten und die aus einem durch die USA weitgehend finanzierten Militärhaushalt ausgerüsteten Streitkräfte Georgiens (ca. 35.000 Soldaten), die auch durch ihren Kriseneinsatz im Irak kampferprobt sind, wären in der Lage, die südossetischen paramilitärischen Verbände niederzuringen. Der Kollaps der südossetischen Sezession als Ergebnis russländischer Untätigkeit wäre nicht nur ein Gesichtsverlust Russlands, sondern auch ein erheblicher strategischer Verlust. Die Glaubwürdigkeit Russlands wäre nicht nur in den georgischen Sezessionsgebieten, sondern auch als Ordnungsmacht in der zentralasiatischen Region beschädigt. Außerdem würde es die Position Saakashvilis in Georgien zementieren und die militärische Eskalation gegen Abchasien in einigen Monaten wahrscheinlicher machen.

Gleichwohl verfolgt die russländische Führung mit der Entsendung russländischer Militäreinheiten von russländischem Staatsgebiet nur eine Minimalvariante - die Wiederherstellung des Status quo ante.

Durch die Kampfhandlungen wurde der Konflikt von einer formal innerstaatlichen Auseinandersetzung zu einem zwischenstaatlichen Krieg. Dies stellt eine radikale Änderung der Lage dar. Mit Russland als Kriegsgegner Georgiens ist eine Integration Georgiens in die NATO auf absehbare Zeit gänzlich ausgeschlossen. (Gerhard  Mangott, derStandard.at, 8.8.2008)