US-Bürger rechnen derzeit mehr nach als früher: Ausgaben werden gekürzt, Impulskäufe vermieden. Der Konsum leidet.

Der Druck auf den US-Konsum wächst.

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Stephen und seine Frau Mercedes haben sich zu Sommerbeginn eine größere Anschaffung geleistet: eine Sitzgarnitur für ihre Terrasse. Steuerrückvergütungsschecks über je 600 Dollar und ein Sonderangebot machten dem Ehepaar aus San Francisco die Anschaffung möglich. Ansonsten haben die beiden aber in den vergangenen Monaten angesichts hoher Inflation und schwacher US-Konjunktur ihren Lebensstil deutlich umgestaltet.

Kochen statt Ausgehen

"Wir kürzen Ausgaben, wo es nur geht" , erzählt Stephen. "Wir haben beispielsweise das Ausgehen zum Abendessen um ungefähr die Hälfte reduziert - ich koche jetzt wie ein Verrückter. Und ich passe auf, dass ich weniger Impulskäufe im Supermarkt mache."  Das Paar hat auch bemerkt, dass manche Dienstleister ihnen lieber weniger pro Monat verrechnen, als sie ganz als Kunden zu verlieren. "Ich habe bei AT&T auf Anfrage einen 20-prozentigen Pensionistendiskont zugestanden bekommen" , sagt Stephen - und das obwohl er erst Mitte 40 ist und noch arbeitet. Stephen und Mercedes sind kein Einzelfall. Kredit- und Hypothekenkrise sowie steigende Preise und Arbeitslosenzahlen treffen US-Konsumenten härter als die letzten Wirtschaftsflauten.

Die von der Bush-Regierung zur Verhinderung einer Rezession beschlossenen Steuererleichterungen von rund 100 Mrd. Dollar sind zwischen April und Juli in Form von Schecks an die Bürger gelangt, scheinen aber nur kurzfristige Wirkung gehabt zu haben. Immer mehr Amerikaner lassen etwa ihr Auto stehen und urlauben daheim, um Geld zu sparen.

"Neues Verhaltensmuster: Genügsamkeit"

Ökonom David Rosenberg von Merrill Lynch ortet in alldem eine seltene "tektonische Verschiebung" beim US-Verbraucher. "Wir bemerken Anzeichen eines neuen Verhaltensmusters", sagt er. "Genügsamkeit. Der Trend geht zum Notwendigen. Daheim essen ist in, Essen im Restaurant ist out. 'Do it yourself' wird größer geschrieben."

Mehr Amerikaner als sonst scheinen derzeit zu sparen und Schulden abzubezahlen - etwas, das Experten für längst fällig erachteten. Die USA liegen beim Sparen weit hinter anderen Nationen. Rosenberg schätzt, dass weniger als 20 Prozent der Steuergeschenke in Konsum geflossen sind. Da aber Konsumausgaben für zwei Drittel der US-Wirtschaft verantwortlich sind, ist das Ende der Borgen-und-Ausgeben-Philosophie der letzten Jahrzehnte auch ein Grund zur Sorge, dass die Konjunkturflaute diesmal länger anhalten könnte. (Georg Szalai aus New York, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.8.2008)